Griechischer Regierungsapparat laut OCED unfähig zu Reformen
Archivmeldung vom 08.12.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittKnapp zwei Jahre nach Beginn der Griechenland-Krise verharrt der Regierungsapparat in Athen in umfassenden Stillstand. Zu diesem Schluss kommen Experten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Athen, wie die Tageszeitung "Die Welt" berichtet. Die Fachleute der OECD, der Vereinigung der führenden westlichen Industrieländer, untersuchten alle 14 Ministerien - und fanden überall Mangel an Daten und Fachwissen, Organisation und Zusammenarbeit. "Griechenlands zentraler Regierungsapparat hat bisher weder die Kapazität noch die Fähigkeit zu großen Reformen", sagte Caroline Varley, Leiterin der Abteilung für Regierungsbeurteilung der OECD, der "Welt". "Es ist ein harter Befund, der zum ersten Mal systematisch und mit Belegen zeigt, was in der Verwaltung nicht funktioniert und Griechenland hindert, mit strukturellen Reformen voranzukommen."
Ein Grund: Der griechische Regierungschef kontrolliert nur wenig. Während etwa das Bundeskanzleramt die Arbeit aller Ministerien ständig kontrolliert, sieht der Generalsekretär der griechischen Regierung hohe Beamte der Ministerien nur zwei Mal im Jahr für wenige Stunden. "Das Zentrum der Regierung hat weder die Autorität noch die Kapazität, den Schlüsselministerien eine gemeinsame Politik aufzuzwingen", so die OECD.
Griechische Beamte haben kaum Kontakt zu Kollegen - weder zu anderen Ressorts noch im eigenen Haus. Überall fehlen zentrale Datenbanken, Akten und "die Fähigkeit, Informationen aus Daten herauszulesen - wenn Daten überhaupt vorhanden sind", stellen die Fachleute trocken fest.
Gesetze werden in engem Kreis entworfen und verabschiedet - in der Regel, so die OECD, ohne zuvor "Folgen für die reale Welt" wie die Kosten zu klären. Auch Folgeanalysen, Kontroll- und Korrekturmechanismen fehlen meist - oder sind von schlechter Qualität.
Das Fazit der OECD: "Der zentralen Verwaltung als ganzes fehlen die praktischen Werkzeuge, die Kultur und die Fähigkeit, aufeinander aufbauende Politik anzustoßen, umzusetzen und zu überwachen." Um die in "etlichen Jahrzehnten aufgebaute Dysfunktion des griechischen Staatsapparates" aufzubrechen, reichten keine vereinzelten Reformschritte. Einziger Ausweg sei ein Großer Wurf, eine "Big Bang-Reform" im gesamten Regierungsapparat. "Wenn das Zentrum der Regierung den politischen und administrativen Willen aufbringt, sich radikal zu reorganisieren; wenn vier, fünf, sechs Leute mit echten Vollmachten die Reformen in die Hand nehmen und direkt dem Premier berichten, werden Reformen gelingen", sagte Varley der "Welt". "Bis jetzt ist das Zentrum der Regierung sehr schwach. Griechenland hat nur noch ein kleines Zeitfenster, um sich zu ändern und zu reformieren, aber es wird kleiner."
Quelle: dts Nachrichtenagentur