Verheugen macht CSU mitverantwortlich für Prager Hängepartie um Lissabon-Vertrag
Archivmeldung vom 13.10.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEU-Industriekommissar Günter Verheugen hat die CSU mitverantwortlich für die gegenwärtige Hängepartie um die noch ausstehende tschechische Ratifizierung des EU-Reformvertrages von Lissabon gemacht.
Der tschechische Präsident Vaclav Klaus könne die befürchteten Eigentumsansprüche vertriebener Sudetendeutscher nur deshalb instrumentalisieren, weil diese Frage "von deutscher Seite am Leben erhalten wurde", sagte Verheugen dem "Tagesspiegel". Die CSU mache sich "seit vielen Jahren zum Sprachrohr radikaler Positionen der sudetendeutschen Landsmannschaft", sagte der frühere Erweiterungskommissar weiter. Alljährlich werde beim Pfingsttreffen der Sudetendeutschen "in Tschechien die Angst neu geweckt". Verheugen widersprach zudem der Einschätzung von tschechischen Gegnern des Lissabon-Vertrages, wonach sich aus der EU-Grundrechtecharta Eigentumsansprüche von Sudentendeutschen ergeben könnten: "Ich kenne keinen Experten, der diese Rechtsauffassung für richtig hält." Klaus hatte eine Aussetzung der Grundrechtecharta für Tschechien mit der Begründung gefordert, möglichen Klagen von Vertriebenen auf Eigentumsrückgabe vorbeugen zu wollen.
Gleichzeitig forderte Verheugen die künftige schwarz-gelbe Bundesregierung auf, den EU-Beitritt der Türkei als Ziel beizubehalten. Angesichts der Ablehnung einer EU-Vollmitgliedschaft Ankaras durch die CDU/CSU sagte er: "Ich glaube nicht, dass eine künftige Bundesregierung die Verantwortung dafür übernehmen will, dass die Türkei für den Westen verloren geht." Er hoffe, dass die FDP "mit ihrer stolzen außenpolitischen Tradition einen solchen Fehler verhindern" werde, sagte Verheugen. Die von der Union statt der EU-Vollmitgliedschaft favorisierte privilegierte Partnerschaft bezeichnete er als "Mogelpackung".
Koschyk: Verheugen auf politischem Blindflug
Zu den Behauptungen von EU-Kommissar Verheugen, die CSU sei für die ausstehende tschechische Ratifizierung des EU-Reformvertrags verantwortlich, erklärt der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Hartmut Koschyk:
Der Versuch von EU-Kommissar Verheugen, die ausstehende Ratifizierung des Lissabon-Vertrags durch die Tschechische Republik der CSU in die Schuhe zu schieben, ist ein ausgemachter politischer Blindflug. Die massiven Vorbehalte des tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus gegen die europäische Integration sind hinlänglich bekannt. Es ist an Unsinnigkeit kaum zu überbieten, die notorische EU-Skepsis von Klaus der CSU anlasten zu wollen.
Richtig ist: Die CSU fordert nach wie vor und mit gutem Grund eine klare Distanzierung der Tschechischen Republik von den Benes Dekreten. Für derartige Unrechts-Dekrete kann es im heutigen gemeinsamen Europa keinen Platz geben. Unzählige Sudetendeutsche haben infolge der Benes-Dekrete ihre Heimat und Ihr gesamtes Eigentum verloren, viele haben die Vertreibung nicht überlebt. Eine klare Distanzierung der Tschechischen Republik von diesen Dekreten wäre eine Geste der Menschlichkeit.
Dieser Humanität gegenüber deutschen Vertreibungsopfern sollte sich auch der deutsche EU-Kommissar Verheugen verpflichtet fühlen. Er kann sich dabei an seinem verstorbenen Parteifreund Peter Glotz ein Beispiel nehmen.
Quelle: Der Tagesspiegel / CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag