Hilfsorganisationen: Afghanistan-Strategie der NATO - Schutz der Zivilbevölkerung muss oberste Priorität haben
Archivmeldung vom 03.04.2009
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.04.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie angekündigte NATO-Truppenverstärkung für Afghanistan könnte für die Bevölkerung eine massive Bedrohung darstellen - denn die internationalen Streitkräfte nehmen bisher zu wenig Rücksicht auf den Schutz von Zivilpersonen.
Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Caught in the Conflict", die am 3. April 2009 von Oxfam, CARE und weiteren Organisationen veröffentlicht wird. "Bundeskanzlerin Angela Merkel muss sich auf dem NATO-Gipfel dafür einsetzen, dass in der neuen Afghanistan-Strategie die Sicherheit der Zivilbevölkerung oberste Priorität hat", fordert Matt Waldman, Oxfams Afghanistan-Experte in Kabul.
Laut Studie haben die NATO-Streitkräfte eine Mitschuld an der schlechten Sicherheitslage in Afghanistan. Im Jahr 2008 wurden 30 Prozent mehr Zivilisten bei Kampfhandlungen getötet, als im Vorjahr. "Neben Anschlägen von Aufständischen sind dafür auch die internationalen Streitkräfte und die afghanische Armee verantwortlich", erklärt Waldman. Zwei Drittel der von den alliierten Truppen getöteten Zivilpersonen kamen bei Luftangriffen ums Leben. Viele wurden durch unverhältnismäßige Gewaltanwendung bei Hausdurchsuchungen getötet oder verletzt. "Es fehlt ein einheitliches und transparentes Verfahren zur Aufklärung derartiger Übergriffe und zur Entschädigung."
In der afghanischen Bevölkerung droht die Unterstützung für das internationale Engagement noch weiter abzunehmen - dies gilt sowohl für die internationalen Streitkräfte als auch die Hilfsorganisationen. "Die NATO muss dafür sorgen, dass ihre Soldaten das humanitäre Völkerrecht einhalten und die afghanischen Gesetze, die Religion und die Kultur respektieren", sagt Waldman. Oxfam fordert daher eine klare Trennung zwischen militärischem Engagement und ziviler Aufbauarbeit. "Ansonsten ist die Unparteilichkeit der Hilfsorganisationen gefährdet, und damit auch die Sicherheit unserer Mitarbeiter."
Einige NATO-Staaten und die afghanische Regierung betreiben gemeinsam den Aufbau lokaler bewaffneter Milizen. Außerdem sollen mit neuen Distrikt-Räten einflussreiche örtliche Persönlichkeiten an die Zentralregierung gebunden werden, die damit ihren Einfluss auf lokaler Ebene stärken möchte. Oxfam sieht beide Maßnahmen kritisch: "Bewaffnete lokale Milizen könnten die Konflikte eher verschärfen, und für die neuen Distrikt-Räte gibt es keine demokratische Legitimierung. Es besteht sogar die Gefahr, dass sie die Korruption verschärfen", so Waldman.
Quelle: Oxfam Deutschland