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SR Vietnam - Aufflammen gewalttätiger Übergriffe auf Christen

Archivmeldung vom 17.07.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.07.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Pastor Nguyen Cong Chinh nach Misshandlung durch vietnamesische Polizisten der Religionsabteilung PA38 am 12. Juli 2008
Pastor Nguyen Cong Chinh nach Misshandlung durch vietnamesische Polizisten der Religionsabteilung PA38 am 12. Juli 2008

Nur wenige Wochen, nachdem der amerikanische Präsident eine "Verbesserung der Religionsfreiheit in Vietnam" öffentlich gelobt hatte, kam es erneut zu gewalttätigen Übergriffen der Polizei auf die Hauskirchen der Mennoniten und der "Full Gospel Church".

Die Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) sieht darin die Umsetzung eines Geheimdokuments mit Anweisungen zur Bekämpfung christlicher Minderheiten in Vietnam, auf das die IGFM bereits Anfang 2008 aufmerksam gemacht hat. Weiterhin fliehen christliche Montagnards aus den zentralvietnamesischen Bergregionen vor der staatlichen Gewalt nach Kambodscha und dann weiter nach Thailand, weil sie sich in den UNHCR-Flüchtlingslagern zur Rückkehr genötigt fühlen und ihre Anträge auf Asyl extrem schleppend und schikanös bearbeitet werden. Die IGFM ruft Vietnam auf, seiner Verantwortung als derzeitiges vorsitzendes Mitglied des UN-Sicherheitsrates gerecht zu werden, das Recht auf Religionsfreiheit zu gewährleisten und für die Sicherheit der Christen zu sorgen.

Mennonitischer Pastor Nguyen Cong Chinh bei Angriffen verletzt

Nach Informationen der IGFM wurde der mennonitische Pastor Nguyen Cong Chinh, Vorsitzender der "Evangelischen Mitbruderschaft ethnischer Völker Vietnams" (Vietnamese People's Evangelical Fellowship, VPEF) am 12. Juli 2008 von Polizisten der Religionsabteilung PA38 der Provinz Gia Lai schwer misshandelt. Zuvor hatte die Polizei sein Haus durchsucht, seinen Computer beschlagnahmt und ihn unter Hausarrest gestellt. Täglich wurde Pastor Chinh in den letzten zwei Monaten von der Polizei verhört. Ende Januar 2008 suchte er sich mit einer Gruppe von Montagnard-Pastoren Hanoi auf, um sich über die Drangsalierung von Christen in den zentralvietnamesischen Bergregionen beim Ministerium für Öffentliche Sicherheit zu beschweren. Seitdem setzt ihn die örtliche Polizei unter Druck, obwohl das Ministerium ihm versprochen hatte, den Vorwürfen nachzugehen.

Die vietnamesische Regierung sieht in der "Evangelischen Mitbrüderschaft ethnischer Völker Vietnams" einen "gefährlichen" Zusammenschluss von Christen und ethnischen Minderheiten und damit eine "Bedrohung der nationalen Sicherheit" und will sie nach Meinung der IGFM auflösen. Die Regierung bezeichnet die Montagnard-Christen als "Tin Lanh Dega" (Dega Protestanten), die "den evangelischen Glauben für separatistische Zwecke missbrauchen" und von "ausländischen Mächten gesteuert" sind, um das Land zu unterminieren. Im "Trainingsdokument zu den Aufgaben mit den Protestanten in der nördlichen Bergregion", das vom Regierungskomitee für Religionsangelegenheiten Ende 2007 herausgegeben wurde, werden Staatsbeamte angewiesen, die "abnormal schnelle und spontane Ausbreitung des protestantischen Christentums in den nördlichen Provinzen entschieden zu unterbinden". Die derzeitige Gewalt gegen die Montagnards zeigt, dass es ähnliche Anweisung gegen ethnische Christen in den Bergen Zentralvietnams geben muß. Bereits im Februar 2008 hatte die IGFM das Dokument analysiert und scharf kritisiert (s. Dokumentation CSW-IGFM-Analyse des "Trainingshandbuchs über den Umgang mit Protestanten").

Die "Full Gospel Church" und die Zweiklassen-Gesellschaft unter Christen

Die IGFM wertet das Wiederaufflammen der Gewalt in einzelnen Gebieten als Verschlechterung der Situation der christlichen Minderheit in Vietnam. In dem Beispiel der evangelischen Hauskirche "Full Gospel Church" benutzen vietnamesische Beamten fadenscheinige Begründungen für ihre Gewalteskapaden. Christen der "Full Gospel Church" in der nordvietnamesischen Provinz Thanh Hoa wurden in diesem Jahr von der Polizei bereits mehrmals angegriffen. Ende 2007 wurden die Übergriffe damit begründet, "dass Personen aus anderen Ortschaften an der Weihnachtsfeier nicht teilnehmen dürfen". Ende April 2008 waren 15 Christen wegen des "Betens und Lesens einer Bibel" mit Geldstrafen belegt worden, nachdem die Polizei ihren Sonntagsgottesdienst aufgelöst und sie auf dem Weg zur Polizeistation misshandelt hatte. Die fadenscheinige Begründung des Polizeichefs: Sie hätten sich illegal versammelt.

Als sich am Sonntag am 6. Juli 2008 vier christliche Nachbarn der "Full Gospel Church" in einem Haus getroffen hatten, drohte ihnen die Polizei mit Schlägen, sollten sie diese "illegale Versammlung" nicht auflösen. Als sie später das Haus verließen, wurden zwei Frauen und ein Mann von der Polizei tätlich angegriffen. Auf die Frage eines Reporters des Senders Radio Free Asia antwortete der Polizeichef, dass "Religionsfreiheit in der (eigenen) Familie erlaubt sei, ohne Beteiligung von Fremden". Anscheinend sollen die religiösen Aktivitäten von evangelischen Christen der "Full Gospel Church" nur noch in den eigenen vier Wänden erlaubt sein. Die IGFM sieht darin eine Bestätigung für die Ausweitung des Gebrauchs des oben genannten "Trainingshandbuchs", wonach nicht nur die Aktivitäten von Christen in den nördlichen Bergregionen eingeschränkt werden sollen.

Die Situation der Christen der "Full Gospel Church" in Thanh Hoa ist seit langem bekannt. Die US-amerikanische Botschaft in Vietnam hatte sich in der Vergangenheit durch öffentliche Besuche und Empfänge stark für diese Gruppe eingesetzt, was 2007 zu einer relativen Entspannung der Lage führte. Diese Entspannung hatte dann die US-Regierung samt Präsident Bush als eine allgemeine Verbesserung der Lage der Religionsfreiheit in Vietnam öffentlich gelobt. Das Interesse der USA für die Lage der Christen ließ nach, und schließlich hatten die USA Vietnam sogar aus der Liste der CPC-Länder (Länder mit besonderen Besorgnissen im Bereich der Religionsfreiheit) gestrichen.

Christliche Montagnards und die Flucht nach Kambodscha und Thailand

Montagnards sind die Ureinwohner in den fruchtbaren Bergen Zentralvietnams, die schon seit Jahren immer wieder Opfer der brutalen Ansiedlungs- und Verdrängungspolitik der vietnamesischen Regierung und lokaler Spekulanten werden. Zurzeit halten sich rund ein Tausend Montagnards in den Lagern des UN-Flüchtlingswerks UNHCR in Kambodscha auf und warten auf eine Anerkennung als Flüchtling nach der Flüchtlingskonvention von 1951. Die Flüchtlinge sind mit der schleppenden Abwicklung sehr unzufrieden und werfen dem UNHCR vor, sie zu einer freiwilligen Rückkehr überreden zu wollen. Immer häufiger erkenne der UNHCR ihre Fluchtgründe nicht an, so dass die Anerkennungsquote seit Ende 2006 stetig gesunken sei. Selbst Haftentlassungspapiere und die Anordnung von Hausarrest mit dem roten Siegel der vietnamesischen Behörden versehen, würden nicht anerkannt, behaupten Flüchtlinge. Die Zeitungen in Vietnam meldeten Anfang Juli 2008 hingegen unisono, dass der Regionale Vertreter des UNHCR für Thailand, Kambodscha, Laos und Vietnam, Raymond Anthony Hall, Vietnam für dessen "aktiven und effektiven Beitrag zur Lösung des Flüchtlingsproblems" nach seinem Vietnam-Besuch gelobt habe.

In einem Interview mit Radio Free Asia am 30. Juni 2008 berichtete der mennonitische Pastor A Dung, dass er am 3. Juni 2008 in Phnom Penh (Kambodscha) verschleppt und nach Vietnam gebracht worden sei. Man habe ihn zehn Tage lang eingesperrt gehalten und dann vor ein Volkstribunal in seinem Heimatort Sa Thay in der Provinz Kontum gezerrt. Schließlich habe man ihn wegen des Fluchtversuches für ein Jahr unter Hausarrest gestellt. Er lebe heute in Angst und Bange in Vietnam. Der Fall von Pastor A Dung stärkt das Anliegen von rund 40 Montagnards in Thailand. Sie waren zwischen Mai und Juli 2008 aus den UNHCR-Flüchtlingslagern in Kambodscha geflohen, weil der UNHCR "täglich Druck ausübte, damit sie die freiwillige Rückkehreinwilligung (nach Vietnam) unterschreiben".

Pastor A Dung war am 12. Juni 2007 von Vietnam nach Kambodscha geflohen und hatte dort beim UNHCR Asyl beantragt. Bis zu seiner Verschleppung aus Phnom Penh nach Vietnam hatte er elf Monate auf eine Entscheidung des UNHCR bezüglich seines Flüchtlingsstatus gewartet. Der IGFM ist Pastor A Dung wegen seiner Aktivitäten für die mennonitischen Hauskirchengemeinden im zentralvietnamesischen Hochland bekannt. Seit September 2006 wurde er verfolgt, nachdem er an einem Fortbildungskurs seiner Kirche in Kambodscha teilgenommen hatte.

Quelle: Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM)

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