Näherinnen in der Textilindustrie brauchen Lohngarantie von Modefirmen
Archivmeldung vom 10.06.2020
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Freigeschaltet durch André OttWie nehmen die Modemarken und -händler in der Coronakrise ihre Verantwortung in der Lieferkette wahr? Erst in jüngster Zeit beginnen einige Handelshäuser damit, dieses Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Nach dem öffentlichen Aufschrei hat sich eine Reihe von Unternehmen verpflichtet, alle vor dem Ausbruch der Pandemie erteilten Aufträge zu bezahlen.
Es war und gilt jedoch leider immer noch als "normal", dass Aufträge storniert und neue Bestellungen verzögert werden. Renommierte Modemarken erzwingen bei ihren Lieferanten Rabatte für bereits georderte Ware.
Damit landen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise systematisch auf dem Rücken der Textilarbeiter*innen. Sie sind das schwächste Glied in den Lieferketten. Sie zahlen die Zeche: mit fristloser Entlassung und unbezahltem Zwangsurlaub, mit Lohnkürzungen trotz Vollbeschäftigung und mit gesundheitlichen Risiken, da in den Fabriken sehr häufig ohne Schutzmaßnahmen weiter gearbeitet wird, obwohl der Rest der Gesellschaft Ausgangssperre hat. Arbeit zu diesen Hochrisiko-Bedingungen zu verweigern, ist oft kaum möglich, denn die Frauen und Männer brauchen das Geld.
"Wenn wir unter diesen Bedingungen nicht arbeiten wollen, droht uns das Management mit Entlassung", sagt eine albanische Arbeiterin. Wer aufmuckt fliegt. Arbeitsgesetze scheinen Luxus geworden zu sein; sie werden nicht beachtet. Vor all diesen Auswirkungen schließt die Mehrheit der Modehändler die Augen. Für die betroffenen Millionen von Arbeiterinnen und Arbeitern sind Lohnkürzungen und Lohnausfall jedoch eine Katastrophe. Angesichts der Hungerlöhne leben sie ohnehin schon von der Hand in den Mund. In einer Zeit extremer Angst haben sie kein Einkommen und keine Jobsicherheit.
In der Regel verfügen aber auch ihre Arbeitgeber, die Lieferanten, über keine Rücklagen, um beispielsweise Löhne trotz Auftragsausfall weiterzuzahlen. Sie sind dem Preisdruck der übermächtigen Auftraggeber mehr denn je ausgeliefert. Deshalb fordert die Clean Clothes Campaign / Kampagne für Saubere Kleidung die Modehäuser auf, zu garantieren, dass alle Textilarbeiterinnen und -arbeiter, die zu Beginn der COVID-19-Krise beschäftigt waren, ihren Lohn in gesetzlichem Umfang weiter gezahlt bekommen. Für die Zukunft appelliert die Menschenrechtsinitiative an die Modefirmen, einen Preisaufschlag für sämtliche Aufträge in einen Garantiefonds zu zahlen, der die Beschäftigten sozial absichern soll.
"Modehäuser müssen jetzt in die Pflicht genommen werden - eine überfällige Gegenleistung für jahrelang erzielte Gewinne aus Ausbeutung.", resümiert Bettina Musiolek von der Clean Clothes Campaign / Kampagne für Saubere Kleidung.
Quelle: Clean Clothes Campaign - Kampagne für Saubere Kleidung (ots)