ROG: Interpol wird von repressiven Regierungen missbraucht
Archivmeldung vom 02.10.2017
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Freigeschaltet durch André OttDie Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert Interpol zu schnellen Reformen auf. Die internationale Polizeiorganisation werde zunehmend für Fahndungsaufrufe durch repressive Regierungen missbraucht. Jüngste Anlässe seien die Fälle des türkischen Exil-Journalisten Can Dündar und des in der Ukraine inhaftierten usbekischen Journalisten Narsullo Achunschonow.
Achunschonow wird aufgrund eines Interpol-Fahndungsaufrufs seit seiner Ankunft in der Ukraine festhalten, wo er wegen der Verfolgung in seiner Heimat politisches Asyl beantragen wollte. Ihm droht die Abschiebung nach Usbekistan, wo nach Angaben von ROG Folter an Häftlingen verbreitet sei. Gegen Dündar hat ein Staatsanwalt in Diyarbakir beim türkischen Justizministerium einen Interpol-Fahndungsaufruf (Red Notice) beantragt.
Für Aufsehen sorgten jüngst die Fälle des schwedisch-türkischen Journalisten Hamza Yalcin und des deutsch-türkischen Schriftstellers Dogan Akhanli, die in Spanien aufgrund von Interpol-Fahndungsaufrufen festgenommen wurden. Während Akhanli zwar auf freiem Fuß ist, Spanien aber vorerst nicht verlassen darf, kam Yalcin am Donnerstag nach 25 Tagen Auslieferungshaft frei; tags darauf beschloss die Regierung, ihn nicht an die Türkei auszuliefern. Ähnliche Fälle gab es in der Vergangenheit beispielsweise aufgrund von Fahndungsaufrufen Kambodschas, Sri Lankas und der Malediven.
Deutschland nahm 2015 den Al-Dschasira-Journalisten Ahmed Mansur auf Betreiben Ägyptens kurzzeitig fest; Mitte August wurde der oppositionelle ägyptische Journalist Abulrahman Ess offenbar ebenfalls aufgrund eines Interpol-Fahndungsaufrufs mehrere Stunden am Flughafen Berlin-Schönefeld festgehalten. Die Zahl der Interpol-Fahndungsaufrufe hat sich innerhalb eines Jahrzehnts fast verfünffacht von 2.804 im Jahr 2006 auf 12.878 im Jahr 2016. Nur sehr selten lehnt die Organisation es ab, Fahndungsaufrufe zu verbreiten.
Quelle: dts Nachrichtenagentur