FDP-Politiker Schäffler: Draghi muss Finanzdeal-"Verstrickungen" offenlegen
Archivmeldung vom 26.06.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDer Finanzexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Frank Schäffler, hält es für unabdingbar, dass der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, seine Rolle bei den Derivategeschäften Italiens darlegt, mit deren Hilfe das Land seine Staatsfinanzen aufgehübscht und das Haushaltsdefizit gesenkt haben soll, um sich für den Euro zu qualifizieren.
"Draghi muss die Karten offenlegen und seine Verstrickungen darlegen. Ansonsten wird er zur Belastung für den Euro", sagte Schäffler "Handelsblatt-Online". Italien habe anscheinend Vorbild für Griechenland gestanden, sagte Schäffler weiter. "Erst hat Italien, als Draghi beamteter Staatssekretär im Finanzministerium war, Derivate mit Investmentbanken gedealt, um das Defizit für den Euro zu schönen. Dann wechselt Draghi zu einer Investmentbank, und hievt Griechenland mit seinen italienischen Methoden in den Euro." Und als heutiger Chef der EZB schließlich klage er gegen die Veröffentlichung von Dokumenten zu diesem Vorgang, weil diese angeblich nicht im öffentlichen Interesse liege.
"Hier ist wohl niemandem mehr klar, wo das private Interesse beginnt und das öffentliche aufhört", sagte Schäffler. Der Gipfel sei jedoch, so Schäffler weiter, dass "die maßgeblichen deutschen Entscheidungsträger" davon gewusst und trotz der Zahlentäuschung dennoch sowohl Italien als auch Griechenland in den Euro aufgenommen hätten. "Diejenigen wollten sich im historischen Sonnenlicht der europäischen Einigung aalen, doch wir stehen heute vor dem Scherbenhaufen, den sie uns hinterlassen haben", kritisierte der FDP-Politiker.
Ökonomen bezweifeln Nutzen der EZB-Politik für Krisenländer
Ökonomen in Deutschland halten die derzeitige lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) für kein geeignetes Mittel, die Wirtschaft in den Krisenländern anzuschieben. Geldpolitik könne "keine strukturellen Verwerfungen lösen, die infolge der Immobilien- und Bankenkrise in einigen Euro-Ländern entstanden sind", sagte der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts, Kai Carstensen, "Handelsblatt-Online". "Die EZB sollte daher von der Politik eine viel zügigere Bereinigung des Bankensektors fordern." Das lasse sich aber wohl nur bewerkstelligen, wenn die Gläubiger von Banken in Schieflagen herangezogen würden.
Gleichwohl ist Carstensen der Ansicht, dass die Zentralbank eine Niedrigzinspolitik verfolgen sollte, solange die Konjunktur im Euro-Raum so schwach ist. "Allerdings darf sie ihr Mandat nicht durch eine monetäre Staatsfinanzierung überschreiten", fügte er hinzu.
Der Bankenexperte Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim zeigte ebenfalls Verständnis für die Position von EZB-Chef Mario Draghi, der mit Blick auf die Situation in Südeuropa erklärt hatte, dass die Zentralbank noch weit von einem Ausstieg aus einer lockeren Geldpolitik entfernt sei. Burghof bezweifelte allerdings, ob sich wirklich über billiges Geld die Wirtschaft anschieben lasse. "Das Hauptproblem sind doch eher die fehlende Wettbewerbsfähigkeit und Reformunfähigkeit", sagte er. Daneben seien die niedrigen Zinsen Teil der Rechnung, die für die Finanzkrise den Bürgern ausgestellt werde, sagte Burghof weiter. "Die Sparer zahlen damit indirekt für den Konsum derer, die sich nichts versagt haben, obwohl sie es sich nicht leisten können."
Gabriel will Wende in europäischer Krisenpolitik
SPD-Chef Sigmar Gabriel hat sich für eine Wende in der europäischen Krisenpolitik ausgesprochen. "1.200 Milliarden Euro haben die Staaten der Europäischen Währungsunion bereits mit `Rettungsschirmen` bereitgestellt, um den Finanzsektor des Euro-Währungsraums zu stabilisieren. Impulse für Wachstum und Beschäftigung sowie besonders den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit haben die konservativen und liberalen Staats- und Regierungschefs in Europa dagegen viel zu lange sträflich vernachlässigt", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung Gabriels und des Ersten Sekretärs der Sozialistischen Partei Frankreichs, Harlem Désir, die am Mittwoch in Paris vorgelegt wurde.
In dieser sprechen sich beide für eine gemeinsame Politik für Wachstum und einen ambitionierten Pakt gegen Jugendarbeitslosigkeit aus. Beide Themen müssten zu "politischen Prioritäten der europäischen Politik in den kommenden Wochen und Monaten" werden. "Sonst droht die Sparpolitik die Krisenländer in Europa immer tiefer in eine Spirale aus einbrechender Wirtschaftsleistung, explodierender Arbeitslosigkeit und in der Folge auch weiter steigender Staatsschulden zu reißen."
Der europäische Wachstumspakt müsse jetzt zügig so umgesetzt werden, "dass er konkret spürbare Wachstums- und Beschäftigungsimpulse auslöst", heißt es in der gemeinsamen Erklärung von Gabriel und Désir weiter. In dieser sprachen sich beide auch für eine gemeinsame Steuerpolitik in Europa aus, um Steuerflucht und Steuerdumping zu unterbinden. "Unfassbare 1.000 Milliarden Euro Steuern gehen der EU pro Jahr verloren durch Steuerbetrug und Steuerhinterziehung." Auch das trage massiv zur Schuldenkrise bei und fehle für Investitionen und der Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit.
In ihrer Erklärung sprachen sich die beiden Politiker zudem für eine unverzügliche Einführung der Finanztransaktionssteuer aus. "Wer verantwortlich für eine Krise ist, der muss auch dazu beitragen, sie zu beseitigen." Der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit müsse absolute Priorität haben, betonten der SPD-Chef und Désir in ihrer gemeinsamen Erklärung. Dazu schlagen Gabriel und Désir unter anderem ein Sofortprogramm "zur Schaffung von jährlich 500.000 zusätzlichen Ausbildungs- und Arbeitsplätzen in den kommenden drei Jahren" vor.
Quelle: dts Nachrichtenagentur