Gabriel: Alle sollten alles tun, um Großbritannien so eng wie möglich an der EU zu halten
Archivmeldung vom 11.01.2019
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Freigeschaltet durch André OttWenige Tage vor der Abstimmung über den Brexit im britischen Unterhaus hat der frühere SPD-Vorsitzende und Ex-Außenminister Sigmar Gabriel in einem dramatischen Appell alle Beteiligten aufgefordert, alles dafür zu tun, Großbritannien so eng wie möglich an der EU zu halten. Die Leidtragenden eines Brexits seien beileibe nicht die Briten allein, "sondern wir alle in Europa", schreibt Gabriel in einem Beitrag für den Berliner "Tagesspiegel".
"Deshalb kann der Rat nur sein, alle Hebel zu nutzen, um doch noch zu einer Lösung zu kommen, die das Vereinigte Königreich so eng wie möglich an der EU hält." Sein Vorschlag: Weiterverhandeln, nicht nur in Großbritannien, auch überall in Europa, bis Ende März, und wenn nötig auch darüber hinaus. Der vorgelegte Vertrag eines "weichen Brexit" schaffe dafür zumindest die Möglichkeit. "Um ihm zu einer Mehrheit zu verhelfen, sollten alle anderen in Europa sagen: Was in London geschieht, betrifft uns alle, und darum mischen wir uns auch ein."
Selbst wenn die Abstimmung am Dienstag kommender Woche keine Mehrheit bringe, heiße das nicht, dass bis Ende März nicht weiterverhandelt werden könne. "Selbst eine Verlängerung der Entscheidungsfrist sollte zumindest aus Sicht der Europäischen Union möglich sein, wenn die Briten mehr Zeit brauchen. Es wäre nicht das erste Mal, dass bei internationalen Verhandlungen die Uhr "angehalten" wird." Es gehe einfach um viel zu viel. Nicht zuletzt um Europas Souveränität in einer von den USA und China dominierten Welt. "Wie schaffen wir Europäer es, dass wir so leben können, wie wir WOLLEN, und nicht nur leben müssen, wie es andere für uns als angemessen halten?"
Europa gelte als reich, aber politisch, strategisch und militärisch irrelevant. "Wenn die Briten die EU verlassen, wird der Blick auf uns Europäer noch abschätziger ausfallen", schreibt Gabriel. "Wer nicht einmal den eigenen Laden zusammenhalten kann, wird andere nicht von seiner Sicht auf die Welt überzeugen." Mit Großbritannien verlasse nicht irgend jemand die EU. "Hier geht ein Land, mit enormem internationalem Ansehen, mit einem in Jahrhunderten entwickelten internationalen diplomatischen Netzwerk, ein wirtschaftliches Powerhaus der EU - und eine Nuklearmacht dazu."
Quelle: Der Tagesspiegel (ots)