EU-Parlamentsvizechef: "Deutschland behandelt Polen unfair"
Archivmeldung vom 02.04.2019
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Freigeschaltet durch André OttDer Vizepräsident des EU-Parlaments, Zdzislaw Krasnodebski, hat den Umgang der Bundesregierung mit Polen ungewöhnlich scharf kritisiert und Deutschland zugleich aufgefordert, seinen "Kurs in Europa zu überdenken."
Krasnodebski: "Ich denke, dass Deutschland in jüngster Zeit Polen oft unfair behandelt. Ich habe nichts dagegen, dass man die polnische Regierung kritisiert, wenn es eine faire Kritik wäre. Das ist jedoch nicht der Fall", sagte der polnische Spitzenpolitiker der "Welt".
Krasnodebski gehört zu den engsten Vertrauten von Jaroslaw Kaczynski, dem Vorsitzenden der Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) und starke Mann Polens. Konkret führte Krasnodebski, der zu den Vordenkern von PiS gezählt wird, an: "Es ist doch über die Maßen hinaus scheinheilig, den Einfluss von polnischen Politikern auf Justiz und Medien zu kritisieren und die Gewaltenteilung in Polen infrage zu stellen, wenn gleichzeitig in Deutschland die Politik massiv eingreift in die Besetzung von hohen Richterposten und bei der Stellenbesetzung in den Rundfunkanstalten."
Hier würden "doppelte Standards" von deutscher Seite angewandt. "Das ist nicht glaubwürdig", sagte der Politiker. Als ein Beispiel nannte er die Ernennung des früheren CDU-Bundestagsabgeordneten und Rechtsanwalts Harbarth zum Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts. Mit Blick auf die Europäische Union erwarte er von Deutschland "weniger Selbstbewusstsein und mehr Partnerschaft", sagte Krasnodebski. "Deutschland artikul
iert seine Interessen in Europa oft sehr klar und setzt sie dann mit Härte durch. Wenn Deutschland ein starkes Interesse an einer bestimmten politischen Maßnahme innerhalb der Europäischen Union hat, dann nimmt es keine Rücksicht auf andere", sagte er. So könne man nicht in Europa miteinander umgehen.
"Die Bundesregierung sollte ihren Kurs in Europa überdenken, sich auch mal zurücknehmen und endlich anerkennen, dass die mittel- und osteuropäischen Staaten auch berechtigte Interessen haben", so Krasnodebski. Als konkrete Beispiele nannte er in diesem Zusammenhang die deutsche Forderung nach EU-Flüchtlingsquoten und Nordstream 2. Mit Blick auf künftige Allianzen im EU-Parlament sagte der PiS-Politiker: "Mit der Lega von Minister Salvini wäre eine Zusammenarbeit unter gewissen Umständen vorstellbar. Mit der AfD sehe ich Probleme." Die PiS könne "Antisemitismus und Anti-Polonismus, als auch generell historischen Revisionismus, nicht akzeptieren." Krasnodebski erklärte auch, dass es "in dieser Wahlperiode" Gespräche zwischen den Parteileitungen von Europäischer Volkspartei (EVP) und PiS über eine Zusammenarbeit gegeben habe. "Aber die EVP steht stark unter dem Einfluss der polnischen Bürgerplattform, die dort ja Mitglied ist, und die sich in Polen als `totale Opposition` versteht."
Quelle: dts Nachrichtenagentur