China-Reise: Sigmar Gabriel muss Freilassung von Journalisten fordern
Archivmeldung vom 01.11.2016
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.11.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittReporter ohne Grenzen (ROG) fordert Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf, bei seiner Reise nach Peking am (heutigen) Dienstag die Verfolgung kritischer Journalisten, Blogger und Aktivisten in China anzusprechen. Unter Präsident Xi Jinping hat sich die Unterdrückung kritischer Stimmen im Land deutlich verschärft. Erst vor einer Woche nahm die Polizei zwei Bürgerjournalisten fest.
"China ist neben der Türkei und Ägypten eines der größten Gefängnisse für Journalisten weltweit", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Bei den Gesprächen mit führenden Politikern des Landes darf es nicht nur um Wirtschaftsbeziehungen gehen. Sigmar Gabriel muss sich für die Freilassung der im Land inhaftierten Journalisten und die Ausreise der schwer kranken Deutsche-Welle-Autorin Gao Yu einsetzen."
Am 24. Oktober nahm die Polizei Huang Qi, den Gründer der Webseite 64Tianwang, in der südwestchinesischen Provinz Sichuan vorübergehend fest (http://t1p.de/igux). Die Internetseite informiert über Menschenrechte. Einem Medienbericht zufolge ließen die Behörden Huang nach 24 Stunden frei. Die Polizei soll ihn zu Beiträgen auf 64Tianwang unter anderem über Xi Jinping befragt haben. In einer Stellungnahme sollte Huang erklären, dass einige der Berichte falsch seien (http://t1p.de/7a9c).
Ein von der Nachrichtenseite Voice of America (VOA) veröffentlichtes Foto deutet währenddessen daraufhin, dass die Polizei Huangs Wohnung durchsucht hat (http://t1p.de/l7x5). Das Foto zeigt ein Zimmer, in dem zahlreiche Gegenstände auf dem Boden verstreut liegen.
VERHAFTUNGEN VOR POLITISCHEN GROSSEREIGNISSEN
Die Behörden lassen Blogger und Menschenrechtsaktivisten oft vor großen politischen Ereignissen verhaften, um eine Berichterstattung über unerwartete Proteste zu verhindern (http://t1p.de/igux). Am Tag von Huang Qis Verhaftung begann das viertägige Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas. Das Parteigremium mit den 200 ranghöchsten Parteimitgliedern tagt einmal im Jahr (http://t1p.de/r1na).
Einen Tag vor der Festnahme Huang Qis wurde der Bürgerjournalist Liu Feiyue in der nordchinesischen Provinz Hebei festgenommen. Er ist Gründer einer Webseite, die über Bürgerrechte berichtet. Einige anonyme Quellen vermuteten, seine Festnahme könnte mit dem Plenum der Partei zusammenhängen (http://t1p.de/igux). Während des G20-Gipfels in der südostchinesischen Stadt Hangzhou Anfang September entführte die Polizei zudem fünf Bürgerjournalistinnen, die für 64Tianwang berichten (http://t1p.de/j8ey). Die Seite 64Tianwang ist für den Preis der Pressefreiheit 2016 nominiert, den Reporter ohne Grenzen jährlich vergibt (http://t1p.de/xlff).
Momentan sitzen in China 23 Journalisten sowie 84 Online-Aktivisten und Bürgerjournalisten wegen ihrer Arbeit in Haft (http://t1p.de/qkw5).
GEWALT GEGEN KRITIKER
Auch vor physischer Gewalt schrecken die chinesischen Behörden nicht zurück. Ende März zerstörten rund 20 Zivilpolizisten den Garten der Journalistin Gao Yu und verprügelten ihren Sohn Zhao Meng (http://t1p.de/5yze). Pekings Stadtverwaltung hatte behauptet, ihr Garten und seine kleine Umfassungsmauer seien ungenehmigt angelegt worden. Die schwer herzkranke Journalistin musste sich nach der überfallartigen Aktion kurzzeitig mit Herzproblemen ins Krankenhaus begeben (http://t1p.de/a1zq).
Die chinesischen Behörden verweigern Gao Yu die Ausreise zur medizinischen Behandlung in Deutschland. Die Dissidentin und Deutsche-Welle-Autorin war im April 2015 wegen vermeintlichen Verrats von Staatsgeheimnissen zu einer siebenjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden (http://t1p.de/igz9). Im Berufungsverfahren reduzierte ein Pekinger Gericht Ende November 2015 die Strafe auf fünf Jahre und entließ Gao wegen ihrer Gesundheitsprobleme in den Hausarrest (http://t1p.de/xu1n).
STRIKTE ZENSUR KRITISCHER MEDIEN
Neben der Verfolgung kritischer Journalisten schränken die Behörden die Berichterstattung durch strikte Zensur ein. Viele Internetseiten und soziale Medien, darunter Facebook, Google-Dienste und ausländische Medien wie die Internetseite der New York Times, sind in China gesperrt. Ende Juli wies die chinesische Internetbehörde große Internetunternehmen wie Sina Corp. und Tencent Holdings Ltd an, ihre eigene Berichterstattung einzustellen. Stattdessen dürfen sie nur noch Artikel von den durch die Regierung kontrollierten Medien veröffentlichen (http://t1p.de/vao0).
Mitte Oktober haben die Behörden chinesischen Internetseiten für zwei Monate verboten, Inhalte von der für investigative Berichterstattung bekannten Seite Caixin Online zu publizieren (http://t1p.de/3emm). Die Seite gehört zur Caixin Media Gruppe, die bekannt ist für liberale Ansichten und ihre Kritik an der kommunistischen Regierung (http://t1p.de/8apq).
Als Grund für das Verbot nannten die Behörden, Caixin Online habe im vergangenen Jahr mehrfach gegen Propaganda-Richtlinien verstoßen und Berichte mit "problematischer Ausrichtung" veröffentlicht. Das zweimonatige Verbot könnte Caixin Online finanziell schaden, da die Übernahme ihrer Berichte durch andere Medien eine wichtige Einkommensquelle ist (http://t1p.de/3emm).
Infolge der Unterdrückung kritischer Stimmen von Journalisten und Bloggern, aber auch Anwälten, Arbeiteraktivisten, Feministen und ethnischen Minderheiten seit Xi Jinpings Amtsantritt zögern zudem viele chinesische Bürger, als Quelle für internationale Medien bereitzustehen. Das zeigen die Ergebnisse des im September veröffentlichten Berichts "Darkened Screen" des Vereins Pen America (http://t1p.de/eoe1).
Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit steht China auf Platz 176 von 180 Staaten. Weitere Informationen über die Lage der Journalisten vor Ort finden Sie unter: www.reporter-ohne-grenzen.de/china.
Quelle: Reporter ohne Grenzen e.V. (ots)