Datenleak gibt Einblick in Masseninternierung von Uiguren in China
Archivmeldung vom 24.05.2022
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.05.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Sanjo BabićEin internationaler Rechercheverbund hat am Dienstag neue Details zur Masseninternierung von Uiguren in China veröffentlicht. Laut "Spiegel" belegen Fotos aus dem Inneren von Umerziehungslagern, vertrauliche Behördenanweisungen und Reden chinesischer Funktionäre Menschenrechtsverletzungen.
An der Auswertung der sogenannten "Xinjiang Police Files" waren Journalisten von 14 Medienhäusern aus aller Welt beteiligt - darunter der "Spiegel" sowie der Bayerische Rundfunk. Die Publikation fällt mit dem Besuch von UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet in Xinjiang zusammen. Die Vereinten Nationen schätzen, dass im Nordwesten Chinas zeitweise etwa eine Million Menschen interniert waren.
Bei den meisten handelt es sich um Uiguren, eine muslimische Minderheit in der Volksrepublik.
Chinas Regierung behauptet seit Jahren, dass es sich bei den Lagern um berufliche Fortbildungseinrichtungen handele, deren Ziele die Armutsbekämpfung und der Kampf gegen extremistisches Gedankengut seien. Der Aufenthalt in den Lagern sei freiwillig. Dies werde durch die "Xinjiang Police Files" widerlegt, schreibt der "Spiegel". Demnach findet sich im Leak beispielsweise eine bislang unbekannte Rede des ehemaligen Parteichefs der Region Xinjiang aus dem Jahr 2017, in der es heißt, jeder Gefangene, der auch nur versuche, ein paar Schritte weit zu entkommen, sei zu "erschießen".
Ein Foto soll außerdem einen Häftling in einem sogenannten Tigerstuhl zeigen - einer berüchtigten Foltervorrichtung. Auf anderen Bildern sind Sicherheitskräfte mit Sturmgewehren zu sehen. In einer offiziellen Stellungnahme ging die chinesische Botschaft in Washington nicht auf konkrete Fragen ein, sondern erklärte, die Maßnahmen in Xinjiang richteten sich gegen terroristische Bestrebungen, es gehe nicht um "Menschenrechte oder eine Religion". Die Daten wurden dem deutschen Anthropologen Adrian Zenz zugespielt, der sie wiederum mit den 14 Medienhäusern geteilt hat.
Zenz, der seit 2021 von der chinesischen Regierung sanktioniert wird, war in der Vergangenheit an der Aufdeckung des Lagersystems in Xinjiang beteiligt. Für den China-Experten, der an der "Victims of Communism Memorial Foundation" in Washington forscht, stellen die "Xinjiang Police Files" eine "neue Dimension" dar.
Das Bildmaterial sei einzigartig und widerlege die chinesische Staatspropaganda, dass es sich um "normale Schulen" handle. Der Vorsitzende der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zur Volksrepublik China, Reinhard Bütikofer, fordert angesichts des Datenleaks neue Sanktionen gegen China. Die Fotos zeigten "mit dramatischer Deutlichkeit", womit man es hier zu tun habe, sagte der Grünen-Politiker dem Bayerischen Rundfunk und dem "Spiegel". Diese "Bilder des Grauens" müssten dazu führen, dass die Europäische Union klar Stellung beziehe.
Quelle: dts Nachrichtenagentur