Beirut: Gesundheitsversorgung weiterhin stark eingeschränkt ein Jahr nach der Explosion
Archivmeldung vom 03.08.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićViele Menschen in Beirut sind ein Jahr nach der verheerenden Explosion vom 4. August 2020 verzweifelt. Die Teams der Hilfsorganisation Handicap International (HI) erleben täglich, dass vor allem Menschen mit Behinderung, Ältere oder alleinerziehende Mütter unverhältnismäßig stark betroffen sind, da viele keine staatliche Unterstützung oder eine adäquate Gesundheitsversorgung erhalten.
Zahlreiche Betroffene sind bis heute traumatisiert. Die Anzahl an Patienten und Patientinnen, die psychosoziale Hilfe oder Physiotherapie benötigen, ist stark gestiegen. HI musste Wartelisten einrichten.
Die Hilfsorganisation Handicap International (HI) betreute bis vor der Explosion primär syrische Geflüchtete im Libanon. Seit dem Unglück kommen jedoch immer mehr Libanesen und Libanesinnen, die Unterstützung benötigen. "Das öffentliche Gesundheitssystem funktioniert weiterhin nur eingeschränkt", sagt Zeina, die damals den Nothilfeeinsatz geleitet hat. Noch immer sind die Folgen der Explosion deutlich zu sehen. Viele der Kliniken und Praxen, die beschädigt wurden, sind bis heute nicht einsatzfähig. "Zahlreiche Menschen brauchen Hilfe und suchen diese bei Hilfsorganisationen und nicht bei der staatlichen Gesundheitsversorgung", so Zeina. "Die Anzahl unserer Patienten ist um 35 Prozent gestiegen. Viele stehen auf Wartelisten. Sie benötigen vor allem unsere Rehabilitations- und psychosozialen Dienste."
Wut, Verzweiflung und Angst
Das ganze Land erlebt eine schlimme Finanzkrise mit verheerenden humanitären Folgen. Das libanesische Pfund hat ein Rekordtief erreicht. Die Arbeitslosenzahl nimmt zu. Durch die Explosion verloren rund 70.000 Menschen ihre Arbeit. Die Hälfte der Bevölkerung lebt inzwischen unterhalb der Armutsgrenze. Die Preise für Lebensmittel, Medikamente und Treibstoff sind extrem hoch und für viele unerschwinglich. Die Infektionszahlen durch das Coronavirus steigen. In der Bevölkerung herrschen Wut, Verzweiflung und Angst. Danila Zizi, HI-Programmdirektorin für den Libanon, sagt: "Menschen, die damals einen sicheren Job und ein gutes Einkommen hatten, kämpfen heute darum, ihre eigenen Kinder zu ernähren. Das belastet sowohl die körperliche als auch die geistige Gesundheit. Wir brauchen dringend Unterstützung."
Die Erinnerung gibt auch Hoffnung
Nahed Mansour, Projektleiterin von HI im Libanon, berichtet über die Ereignisse dieses tragischen Tages, an dem über 200 Menschen umkamen und viele Tausende verletzt wurden: "Ich erinnere mich an das Blut auf den Straßen, die Schreie der Menschen, die zerbrochenen Fenster und eingestürzten Gebäude. Ich erinnere mich noch daran, wie die Menschen einander unterstützten und sich umeinander kümmerten. Nach der Explosion reisten Menschen aus dem ganzen Libanon direkt nach Beirut, um den betroffenen Familien zu helfen, obwohl eine Quarantäne verhängt worden war. Ich werde nie vergessen, wie einer der Freiwilligen eine schwer verletzte Frau rettete. Sie sagte ihm, dass sie mit Corona infiziert sei und er sich von ihr fernhalten solle. Aber er sagte: 'Das ist mir egal, ich lasse Sie nicht sterben', und er trug sie in seinen Armen ins Krankenhaus."
Quelle: Handicap International e.V. (ots)