Oberster Verfassungsrichter kritisiert Konfliktkurs der polnischen Regierung gegenüber der EU
Archivmeldung vom 10.06.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittPolens oberster Verfassungsrichter, Andrzej Rzeplinski, hat seine Regierung für ihren Konfliktkurs gegenüber der Europäischen Union im Streit über das Verfassungsgericht kritisiert. Im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte Rzeplinski: "Die polnische Regierung befindet sich in dieser Frage in einem tiefen Konflikt mit der EU." Der Verfassungsrichter, der unter starkem Druck der PiS steht, zeigte sich besorgt über die Auswirkungen des Streits für Polen in der EU: "Wir werden diese Krise überwinden - aber zu welchem Preis?", sagte Rzeplinski. "Wir haben schon eine Menge Vertrauen verloren."
Die EU-Kommission hatte der rechtskonservativen Regierung unter Premierministerin Beata Szydlo kürzlich Besorgnis über ein Gesetzesvorhaben ausgedrückt, das den Einfluss der regierenden Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) auf das Verfassungsgericht stärken würde. Auch die harte Haltung Polens in der Flüchtlingsfrage sieht Rzeplinski kritisch: "Es gab eine Entscheidung des Europäischen Rates, und Polen hat akzeptiert, seine Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen." Während des Tschetschenien-Krieges habe sein Land 90.000 Flüchtlinge aufgenommen, und das sei "eine normale Sache" gewesen. Die aktuelle Flüchtlingskrise sei "unser gemeinsames europäisches Schicksal". Polens Regierung habe mit ihrem Verhalten in der Flüchtlingsfrage einen neuen Konflikt eröffnet.
Der Jurist Andrzej Rzeplinski, der auch Professor für Kriminologie an der Universität Warschau ist, wird am Freitag von der Universität Osnabrück mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Die Hochschule würdigt damit nach eigenen Angaben Rzeplinskis wissenschaftliches Lebenswerk und seine Verdienste um den Rechtsstaat.
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)