Brüssel und Berlin fürchten geschwächten US-Wahlsieger
Archivmeldung vom 06.11.2020
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Freigeschaltet durch André OttDas lange Kopf-an-Kopf-Rennen bei der US-Präsidentschaftswahl hat in Brüssel und Berlin die Hoffnung schwinden lassen, dass sich das transatlantische Verhältnis nach der Wahl entspannen könnte.
Wenn der Demokrat Joe Biden den republikanischen Präsidenten Donald Trump beerben würde, träte er das Amt "aus einer Position ausgeprägter innenpolitischer Schwäche an", sagte Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, dem "Spiegel".
Noch stärker als unter Barack Obama würde ein möglicherweise weiter republikanisch dominierter Senat Sand ins Getriebe einer demokratischen Präsidentschaft streuen. Aus Sicht Ischingers steht die EU nun vor außenpolitischen Herausforderungen. "Wir dürfen uns nicht zurücklehnen und auf eine neue transatlantische Harmonie hoffen", mahnt der ehemalige Botschafter. "Wir müssen uns jetzt zu einer proaktiven USA-Politik verpflichten und nicht auf die USA warten." Eine längere Hängepartie mit juristischen Auseinandersetzungen und Nachzählungen in verschiedenen Bundesstaaten könnte, so die Befürchtung in Berlin, den Wahlgewinner zusätzlich schwächen. "Wir haben schon im Laufe des Wahlkampfs unsere Sorgen über die Integrität des Wahlprozesses geäußert", sagte Niels Annen, Staatsminister im Auswärtigen Amt, dem "Spiegel".
"Gerade an unsere engen Partner und Verbündeten haben wir die Erwartung, dass Grundprinzipien demokratischer Wahlen akzeptiert und eingehalten werden." Am Tag nach der Wahl herrschte in Berlin Ratlosigkeit. "Man glaubte bis zuletzt, dass Trump ein Betriebsunfall der amerikanischen Demokratie gewesen sei", sagt ein Spitzenbeamter. Das Ausbleiben eines klaren und schnellen Biden-Siegs habe gezeigt, dass diese Hoffnung vergebens war, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer dem "Spiegel": "Der Trumpismus wird bleiben."
Quelle: dts Nachrichtenagentur