Oxfam: Hunger in Kenia löst gewaltsame Übergriffe aus
Archivmeldung vom 06.02.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Ernährungskrise in Kenia droht zu lokalen gewaltsamen Auseinandersetzungen zu führen, wie sie die Region seit fast zehn Jahren nicht mehr erlebt hat, warnt Oxfam International heute.
Dürre und Nahrungsmittelknappheit sind inzwischen so kritisch,
dass die nomadischen Viehzüchter um Wasser und Weideflächen kämpfen.
Zuletzt gab es derartige gewaltsame Auseinandersetzungen im Jahr
1997. Aufgrund der Verbreitung von Schusswaffen in der Region enden
diese Auseinandersetzungen nun immer häufiger tödlich. Nomadische
Gemeinschaften ziehen oft Hunderte von Kilometern auf der Suche nach
Weideflächen für ihre Vieherden durch das Land und besetzen dabei
Gebiete, die bereits von anderen Bevölkerungsgruppen genutzt werden.
Auch die Auseinandersetzungen zwischen Bauern und Rinderzüchtern
verschärfen sich, da durch die Viehherden Felder zerstört und
Wasservorräte erschöpft werden.
"Nicht nur die Nahrungsmittelkrise selbst kostet viele Menschen in
Kenia das Leben. Durch sie steigen auch gewaltsame Konflikte
dramatisch an, inzwischen in einem Ausmaß wie seit fast zehn Jahren
nicht mehr. Wenn die humanitäre Hilfe für die betroffenen Gebiete
nicht umgehend verstärkt wird, dann werden noch im März bewaffnete
Kämpfe viele weitere Todesopfer fordern", so Gezaghn Kebede,
Oxfam-Koordinator in Kenia.
Gegenwärtig untersucht ein Komitee bestehend aus
Hilfsorganisationen, UN-Behörden und der kenianischen Regierung das
Ausmaß der Nahrungsmittelkrise. Auf Grundlage dieser Ergebnisse
sollen dann ab kommenden Mittwoch die Hilfsmaßnahmen ausgeweitet
werden.
Durch die Nahrungsmittelkrise wird die hier ohnehin angespannte
Situation weiter verschärft. Die lokalen Bevölkerungsgruppen streiten
um knappe Ressourcen, weil es in diesem Gebiet an langfristigen
Entwicklungsansätzen fehlt. Gemeinsam mit der kenianischen Regierung
sucht Oxfam eine nachhaltig wirksame Lösung dieses Problems zu
entwickeln und ein effektives Frühwarnsystem für künftige Krisen
einzurichten.
In vielen Gebieten ist es bereits zu gewalttätigen
Auseinandersetzungen gekommen:
- In Oropoi und Kainuk sind Weideflächen in Brand gesetzt worden,
was zu Auseinandersetzungen zwischen den Stämmen der Turkana
und Karimanjong geführt hat. Die Turkana sind der Meinung, dass
die Felder abgebrannt wurden, um sie zu neuen Weideplätzen in
Uganda zu verdrängen. Dort aber würde man ihnen ihre
restlichen Viehherden rauben.
- In Lokamariyang und Kokoro sind Anfang Januar bei Kämpfen
zwischen den Turkana und benachbarten Stämmen aus Äthiopien um
Wasserstellen und Weideland 40 Menschen ums Leben gekommen.
- Im östlichen Isiolo-Distrikt ist der Diebstahl von Schafen und
Ziegen sprunghaft angestiegen. Erst kürzlich sind bei einem
einzigen Raubzug neun Menschen ums Leben gekommen.
- Nur in letzter Minute konnte ein lokales Friedenskomitee
vergangene Woche in Garissa einen gewaltsamen Konflikt zwischen
zwei Großfamilien um eine Wasserstelle abwenden.
Auch in anderen Gebieten wächst das Konfliktpotential, so dass es
nur eine Frage der Zeit ist, bis Kämpfe ausbrechen. Beispielsweise in
Lomelo, wo sich drei Stämme - Samburu, Pokot und Turkana - in einem
begrenzten Gebiet die knappen Wasservorräte und Weideflächen teilen
müssen.
"Wir können noch verhindern, dass aus dieser Krise eine
Katastrophe wird. Falls aber die Hilfsmaßnahmen nicht sofort
verstärkt werden, folgt nicht nur eine Hungersnot, sondern unter
Umständen auch ein blutiger Konflikt über die ganze Region. Noch
haben wir Zeit, das Schlimmste zu verhindern, aber es wird knapp", so
Kebede.
Die durch die Dürre ausgelösten Konflikte verschärfen ihrerseits
wiederum die Ernährungskrise. Viele nomadische Viehzüchter sind von
feindlichen Stämmen umgeben. Wenn die Herden nicht weiterziehen
können, sind die Grasflächen schnell überweidet und können das Vieh
nicht mehr ernähren. Tausende Tiere sind in den betroffenen Gebieten
bereits verendet.
Oxfam fordert die Regierung Kenias zu nachhaltiger Hilfe für die
Region auf, vor allem durch die Errichtung von Tiefbrunnen, um die
Existenzgrundlagen der dort lebenden Menschen zu sichern und
Konflikte zu vermeiden.
Oxfam versorgt zurzeit 200.000 von der Krise betroffene Menschen
in Turkana und Wajir mit sauberem Trinkwasser und Nahrungsmitteln.
Quelle: Pressemitteilung Oxfam