Jean Asselborn: "Glaube nicht, dass mit Putin Frieden geschlossen werden kann."
Archivmeldung vom 11.05.2023
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Freigeschaltet durch Mary Smith"Ich muss zugeben, dieser 24. Februar 2022 hat mich umgehauen", sagt der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. Nie hätte er sich vorstellen können, dass in Europa so etwas wie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine möglich gewesen wäre. Mit Putin, so glaubt Asselborn, sei kein Frieden möglich. "Ich bin nicht davon überzeugt, dass mit Putin als Person Frieden geschlossen werden kann. Darum hoffe ich noch immer, dass Putin selbst einsieht, dass er sich verrannt hat, und von sich aus seiner Wege geht und Russland eine neue Chance gibt", so der sozialdemokratische Politiker.
In "phoenix persönlich" spricht der derzeit dienstälteste Außenminister der Europäischen Union mit Eva Lindenau unter anderem über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, sein Verhältnis zum russischen Außenminister Lawrow, die Fehler vergangener Jahre im Umgang mit Putin und über die Migrationspolitik der EU.
"Wann hört der Krieg auf? Ja, also das ist ja die kapitale Frage", sagt Jean Asselborn. Zu glauben, wenn man keine Waffen mehr in die Ukraine liefere, sei der Krieg vorüber, das sei falsch. "Es gibt keinen anderen Weg. Wir müssen, solange Putin so weiter macht, der Ukraine helfen, dass sie sich auf ihrem Territorium wehren kann." Im Umgang mit dem russischen Präsidenten Putin räumt Asselborn Fehler ein. "Wir haben nach 2014 den Fehler gemacht, dass wir zu viel Vertrauen in Putin gesetzt haben." Putin vertrage keine Demokratie. "Er verträgt nicht, dass Länder sich an die Regeln und an die Werte halten, wie wir sie in der Europäischen Union, jedenfalls die meisten von uns, verteidigen."
Den russischen Außenminister Lawrow, so Asselborn, habe er zuletzt im Dezember 2021 in Stockholm getroffen. "Da hat er mir gesagt, Du musst nach Moskau kommen." Die Lage habe sich dann so entwickelt, das dies nicht mehr möglich gewesen sei. Lawrow habe ihn früher sogar einmal in seinem Heimatdorf besucht. "Er war an einem meiner Geburtstage, mit Frank Walter Steinmeier und anderen Kollegen. Es ist schwer zu verstehen, dass ein Mensch sich derart ändern kann. Lawrow ist einer, der weiß, wie die Vereinten Nationen funktionieren. Er weiß, was die Charta der Vereinten Nationen ist. Und er weiß, dass Russland sie heute mit Füßen tritt."
Was eine baldige Einigung auf eine gemeinsame europäische Asyl- und Migrationspolitik angeht, zeigt sich Jean Asselborn skeptisch. "Wenn wir die Deutschen in der Asylpolitik nicht hätten, wären wir noch schlimmer dran", erklärt der luxemburgische Außenmister. "Ich bin überzeugt, dass wir in dieser Debatte keinen Millimeter vorankommen, wenn wir uns nicht entschließen, den Migrationspakt von 2020, den die Kommission vorgeschlagen hat, auf den Tisch zu legen und ernsthaft zu diskutieren." Viel Zeit bleibe dafür nicht mehr. "Im nächsten Frühjahr kommt eine neue Kommission, ein neues Europaparlament und ich bin wirklich skeptisch."
Es brauche eine ganzheitliche Lösung in der Asylpolitik, getragen von "Solidarität und Verantwortung". "Solidarität. Wir sind eine Union. Man kann nicht sagen, dass die fünf Mittelmeerländer alle Last tragen sollen. Das Zweite ist Verantwortung. Wir müssen wissen, dass wir Schengen kaputt machen, wenn wir diese Sekundärmigration in Europa nicht in den Griff bekommen", so Asselborn.
Dass es anders gehe, habe die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine gezeigt, "da haben wir Millionen Menschen aufgenommen und sogar Polen und auch andere Länder im Osten haben Menschen aufgenommen. Es kann nicht sein, dass wir sagen, wir öffnen unsere Türen, wenn Geflüchtete eine ähnliche Religion haben oder eine ähnliche Sprache reden, wenn sie aber eine andere Hautfarbe haben, eine andere Religion, dann machen wir die Türen zu. Das ist etwas, was Europa langfristig nicht verträgt", so Asselborn.
Das Gespräch mit Jean Asselborn zeigt phoenix am Freitag, 12. Mai 2023, 18.00 Uhr, und Samstag 13. Mai 2023, 00.00 Uhr, Sonntag, 14. Mai 2023, 11.30 Uhr, und ab Freitagmittag in den Mediatheken von ARD und ZDF.
Quelle: PHOENIX (ots)