Ex-Geiseln: Wir waren immer in der Hand ein und derselben Entführergruppe
Archivmeldung vom 06.05.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie beiden frei gelassenen Irak-Geiseln René Bräunlich und Thomas Nitzschke waren die gesamten 99 Tage ihrer Gefangenschaft in der Hand ein- und derselben Entführergruppe. "Es war immer die selbe Gruppe, die uns gefangen hielt. Es stimmt nicht, dass wir ,verkauft' wurden" erklärte Thomas Nitzschke in einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung".
Bräunlich schilderte in dem Interview die Entführer als "Moslems mit
großem Engagement". Sie hätten fünf Mal am Tag gebetet, immer ihre
religiösen Pflichten erfüllt. "Und sie haben uns, so weit es ging,
über das Gute im Islam erzählt, sie haben oft im Koran gelesen. Aber
fanatisch waren die nicht. Die haben signalisiert: Wir akzeptieren
auch andere."
Nitzschke und Bräunlich betonten, "wir sind nicht misshandelt
worden". Es habe sich ganz offensichtlich um Leute gehandelt, "die
für ihr Land kämpfen wollten", die sich "für ihr Land eingesetzt
haben".
Die beiden Geiseln schilderten aber auch ihre Gefangenschaft in
immer fast dunkler Umgebung als "eine Art Folter". Sie seien
"tagelang" in Erdlöchern und Sandkuhlen eingepfercht gewesen. Mit
Ausnahme von zwei, drei der Bewachern, die ein paar Brocken Englisch
gesprochen hätten, hätten die beiden keinerlei Gesprächsmöglichkeit
gehabt. Man habe "nichts erfahren", von dem was im Irak, in
Deutschland, in der Heimat in der Zeit ihrer Gefangenschaft los
gewesen sei. Berichte, einer der Bewacher habe deutsch gesprochen und
sie mit Nachrichten aus der Heimat versorgt, seien definitiv falsch.
Zur Frage des möglichen Leichtsinns angesichts ihren
Arbeitseinsatz im nördlichen Irak in Baidschi, einer Gegend, die als
die gefährlichste im Land gilt, sagte Thomas Nitzschke: "Wir wussten,
wo wir hingehen. Uns war aber nicht bewusst, dass das eine der
gefährlichsten Zonen des Irak ist. Ganz im Gegenteil. Uns wurde
gesagt, dass diese Ecke eigentlich ganz ruhig ist." Zudem sei während
der Vorbereitung der Montagereise und bis zur Entführung ständig ein
deutsch sprechender Iraker an ihrer Seite gewesen, der immer betont
habe: "Machen Sie sich keine Sorgen. Wir tun alles Mögliche, sie sind
hier sicher", erinnert sich René Bräunlich. "Der vermittelte so ein
Gefühl: Lehnen sie sich zurück, es ist alles abgeklärt." Nitzschke
ergänzte: Er werfe sich vor, "dass ich den Sicherheitsleuten blind
vertraut hatte". Der Firma Cryotec und deren Chef, die sie entsandt
hatten, seien "keinerlei Vorwürfe" zu machen.
Beide Geiseln hoben hervor, sie hätten abwechselnd Todesangst und
immer wieder Hoffnung gehabt, lebend heraus zu kommen. Die Entführer
hätten ihnen von Anfang an gesagt, es würde ihnen nichts passieren.
Aber dann sei das Schlimmste die Ungewissheit über 99 Tage hinweg
gewesen.
Bräunlich und Nitzschke wiesen auf das gute Ansehen Deutschlands
wegen der Rolle der Bundesrepublik während des Irak-Krieges hin. "Die
haben immer gesagt, dass alles gut ist und dass Deutschland gut ist.
Das war schon viel Wert, dass Deutschland nicht am Irak-Krieg
teilgenommen hat. Dafür möchten wir uns noch einmal ganz herzlich
beim früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder bedanken, dass er
Deutschland fern gehalten hat vom Irak-Krieg", sagte Bräunlich.
"Sonst wäre die Sache für uns ganz bestimmt viel prekärer geworden
und man hätte uns auch ganz gewiss noch sehr viel strenger
behandelt", ergänzte Nitzschke.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung