WTO: Attac fordert Abbruch der Verhandlungen und Paradigmenwechsel
Archivmeldung vom 18.07.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDrei Tage vor Beginn des Ministertreffens der Welthandelsorganisation WTO hat das globalisierungskritische Netzwerk Attac einen Abbruch der Verhandlungen und einen Paradigmenwechsel in der Handelspolitik der Bundesregierung und der EU-Kommission gefordert.
"Während weltweit
Hunger, explodierende Nahrungsmittelpreise, Klimawandel,
Rohstoffkriege und die Finanzkrise das Versagen der neoliberalen
Globalisierung offensichtlich machen, drängt die WTO auf eine weitere
Liberalisierung des Welthandels. Statt die Droge abzusetzen, soll die
Dosis erhöht werden", kritisierte Johannes Lauterbach von der
bundesweiten WTO-AG von Attac. Bundeskanzlerin Angela Merkel und
EU-Handelskommissar Peter Mandelson scheuten denn auch nicht davor
zurück, die WTO-Verträge, die wesentlich zu den globalen Problemen
beigetragen hätten, als Lösung anzupreisen, und so die Krise im
Interesse transnationaler Konzerne zu instrumentalisieren.
Von Montag, 21. Juli, an sollen die Wirtschaftsminister ausgewählter
WTO-Länder in Genf die blockierten Verhandlungen zur Ausweitung des
Freihandelsregimes wieder in Fahrt bringen. Die G8-Staaten hatten bei
ihrem Gipfel in Japan auf einen zügigen Abschluss der so genannten
Doha-Runde gedrängt.
"Die Forderungen, die jetzt bei der WTO verhandelt werden, würden die
Lage vieler Länder des Südens verschärfen und dringend benötigte
Spielräume zur Lösung der Krisen zerstören", warnte Johannes
Lauterbach. Die von den Industriestaaten bei der WTO-Gründung
erzwungene Öffnung der Agrarmärkte der Entwicklungsländer habe die
lokale Nahrungsmittelproduktion untergraben, Bauern ihrer
Existenzgrundlage beraubt und viele Staaten von Lebensmittelimporten
abhängig gemacht, die sie bei den jetzigen Preisen nicht mehr bezahlen
können. Profitiert hätten die multinationalen Agrarkonzerne, denen die
gestiegenen Nahrungsmittelpreise hohe Gewinne bringen. Bereits die
geltenden WTO-Verträge erschweren es, die heimische Produktion zu
schützen. "Weitere Marktöffnungen würden diese Spirale beschleunigen.
Der bäuerlichen Landwirtschaft droht das Aus, die Hungerkrise wird
sich weiter zuspitzen", sagte Johannes Lauterbach.
Auch die Finanzkrise würde sich laut Attac verschärfen, käme es zum
Abschluss des Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) in
der WTO. Die EU und USA drängen auf eine weitere Deregulierung der
Märkte für Finanzdienstleistungen. "Während das globale Finanzsystem
kollabiert, soll es über die WTO weiter liberalisiert werden - das ist
Irrsinn", sagte Roland Süß vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis.
"Wir brauchen im Gegenteil endlich Spielraum, um die Finanzmärkte
unter Kontrolle zu bringen, Steuerflucht zu verhindern und
preistreibende Spekulation mit Energie und Nahrungsmitteln zu
unterbinden."
Attac forderte die Bundesregierung und die EU-Kommission auf, dem
Menschenrecht auf Nahrung Vorrang vor Handelsvereinbarungen
einzuräumen. Entwicklungsländer müssten die Möglichkeit haben, Importe
zu beschränken und ihre bäuerliche Landwirtschaft zu unterstützen, um
so die Ernährung ihrer Bevölkerung zu sichern.
Quelle: Attac Deutschland