Terrorismusexperte: Nato braucht mehr deutsche Truppen in Afghanistan
Archivmeldung vom 10.09.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittGuido Steinberg, einer der führenden deutschen Terrorismusexperten, hält eine Aufstockung der Nato-Truppen in Afghanistan und auch des deutschen Kontingents für dringend notwendig.
Um die Bevölkerung vor den Taliban zu schützen, brauche die Nato mehr Truppen, "auch deutsche", sagte Steinberg im Interview des Tagesspiegels zum achten Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001. Steinberg ist Autor zahlreicher Publikationen zu Islamismus und Terrorismus, arbeitet bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin und ist zudem als Gutachter im Prozess gegen Sauerland-Gruppe tätig. Um die Taliban militärisch zu besiegen sei entscheidend, ob der Westen "die innere Kraft hat, den Einsatz trotz aller Rückschläge erfolgreich zu Ende zu führen".
Steinberg kritisierte, es sei "sachlich nicht zu rechtfertigen, dass Deutschland weiterhin versucht, einem militärischen Engagement ohne jede Einsatzbeschränkung auszuweichen und die schweren Lasten der Nato nicht voll mittragen will, wie es sogar ein kleiner Staat wie die Niederlande tut". Angesichts der neuen Afghanistan-Strategie der US-Regierung unter Barack Obama, die über das Militärische hinausreiche und viele deutsche Ideen übernommen habe, gebe es für die Bundesrepublik "kein Argument mehr, sich in Afghanistan weniger einzusetzen als die Nato-Partner".
Den deutschen Sicherheitsbehörden bescheinigt Steinberg Schwächen im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus. "Sie sind nicht in der Lage, die Radikalisierungsprozesse unter jungen Muslimen, gleich welcher Herkunft, hinreichend zu erfassen", warnte Steinberg. Er verwies auf den Fall der Kofferbomber, die unbeobachtet Sprengsätze bauen und in zwei Regionalzügen deponieren konnten, sowie auf die Sauerlandgruppe. Ohne den Hinweis des amerikanischen Geheimdienstes CIA auf die Gruppe hätte sie vermutlich die geplanten Anschläge mit Autobomben unbeobachtet vorbereiten können, monierte Steinberg. Die Sicherheitsbehörden müssten viel stärker beobachten, "was sich an islamischen Zentren, in Moscheen und Universitäten tut". Dazu wäre es nötig, "mehr auf V-Leute zu setzen", betonte Steinberg.
Quelle: Der Tagesspiegel