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Grünen-Politiker Beck: "EU läuft Gefahr, die Türkei zu verlieren"

Archivmeldung vom 21.06.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.06.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Volker Beck Bild: volkerbeck.de
Volker Beck Bild: volkerbeck.de

Die Grünen haben angesichts des Streits zwischen Deutschland und der Türkei über den EU-Beitritt des Landes am Bosporus vor den Folgen gewarnt. Angetrieben von Deutschland und den Niederlanden stoße die EU der Türkei vor den Kopf. "Wer noch nicht einmal zu recht unkomplizierten Fragen wie der Regionalpolitik zu Verhandlungen bereit ist, kann sich kaum Hoffnungen auf einen konstruktiven Dialog bei Menschenrechtsthemen machen", sagte der Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck "Handelsblatt-Online".

Nicht umsonst hätten Großbritannien und Schweden an diesem Donnerstag in Brüssel davor gewarnt, einen "strategischen Fehler" zu begehen "Die EU läuft Gefahr, die Türkei zu verlieren", sagte Beck weiter. "Es geht in der kommenden Woche um mehr als die Öffnung des Kapitels 22 zur Regionalpolitik. Wer sich jetzt versperrt, verpasst einen strategischen Moment."

Hintergrund ist, dass die Botschafter der EU-Länder sich am Donnerstag in Brüssel nicht darauf einigen konnten, der Eröffnung eines neuen Kapitels in den EU-Beitrittsverhandlungen kommende Woche zuzustimmen. Deutschland hatte zuletzt jedoch kurzfristig noch Informationsbedarf geäußert. Ursache seien technische Gründe, erklärte das Auswärtige Amt am Freitag in Berlin.

Die Niederlande teilten die deutsche Position. Beck warf der Bundesregierung vor, mit "gespaltener Zunge" zu sprechen. "Einerseits verkündet der Außenminister blumig, bald in einen intensiven Dialog über Fragen der Grundrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Freiheitsrechte eintreten zu wollen. Andererseits blockiert er seit gestern die für kommende Woche geplanten Verhandlungen über die Regionalpolitik mit dem billigen Vorwand, dass die technische Prüfung in Deutschland noch nicht abgeschlossen sei", sagte der Grünen-Politiker. "Die Bundesregierung stellt sich damit ausdrücklich gegen die Europäische Kommission und gegen andere Mitgliedstaaten wie Frankreich, Großbritannien oder den türkischen Nachbarn Griechenland."

Schockenhoff warnt vor Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit Türkei

Der Vize-Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Andreas Schockenhoff (CDU), hat davor gewarnt, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen. Zwar wäre die jetzige Eröffnung eines neuen Verhandlungskapitels "ein falsches Signal und würde nur als Belohnung derjenigen missverstanden werden, die politisch für das Niederknüppeln friedlicher Demonstranten verantwortlich sind", sagte Schockenhoff gegenüber "Handelsblatt-Online". "Genauso falsch aber wäre es, die Beitrittsverhandlungen jetzt abzubrechen."

Nach Angaben von Diplomaten hatten sich die Niederlande und Deutschland beim gestrigen Treffen der EU-Botschafter in Brüssel dagegen ausgesprochen, in der kommenden Woche ein neues Beitrittskapitel zu eröffnen. Zur Begründung wurde auf die aktuelle Lage in der Türkei verwiesen. Dort geht die Polizei seit Wochen hart gegen regierungskritische Demonstranten vor.

Harsche Kritik an der Entscheidung äußerte der Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe des Bundestages, Johannes Kahrs (SPD). "Die Beitrittsgespräche nicht fortzusetzen, ist ein Fehler", sagte Kahrs gegenüber "Handelsblatt-Online".

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe "leider schon in den letzten Jahren ständig gebremst und der Türkei erklärt, dass sie in der EU nicht willkommen ist". Über das Beitrittsverfahren gebe es die Möglichkeit, die Verhältnisse in der Türkei zu ändern und das Demonstrationsrecht, die Meinungs- und Pressefreiheit in die richtige Richtung zu bewegen, sagte Kahrs weiter. So habe sich das Land am Bosporus durch den von den einstigen Kanzlern Helmut Kohl (CDU) und Gerhard Schröder (SPD) angeschobenen und betriebenen Beitrittsprozess stark verändert. Den Demonstranten und ihren Anliegen könne ein laufender Beitrittsprozess "mehr helfen als eine isolierte Türkei".

Kauder droht Ankara mit Unterbrechung der EU-Beitrittsverhandlungen

Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder (CDU), hat der Türkei mit einer Unterbrechung der EU-Beitrittsverhandlungen gedroht. "Ich glaube nicht, dass die Lösung in unverhältnismäßiger Gewalt gegen Demonstranten und der Einschüchterung kritischer Bürger liegt", sagte der CDU-Politiker der "Welt".

Er könne Ankara "nur warnen, auch noch Militär einzusetzen. Das würde die Türkei um Lichtjahre von Europa entfernen. Dann müsste die EU die Beitrittsverhandlungen unterbrechen." Kauder betonte, dass die Unionsparteien "besondere Beziehungen mit der Türkei wollen, aber keine Vollmitgliedschaft in der EU". Im Augenblick erfülle die Türkei die Voraussetzungen ohnehin nicht. "Wir sollten die Türkei darin unterstützen, ein modernes Land zu werden, in dem Menschenrechte gelten", sagte der Fraktionsvorsitzende der Union.

Gerade bei der Religionsfreiheit sei das Ziel noch nicht erreicht. Kauder lehnte es strikt ab, neue Verhandlungskapitel zu eröffnen. "Das wäre in der heutigen Situation unangebracht."

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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