Ex-Irak-Geiseln Bräunlich/Nitzschke: Aus Entführung gestärkt hervor gegangen
Archivmeldung vom 22.01.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie beiden ehemaligen Irak-Geiseln René Bräunlich und Thomas Nitzschke haben ein Jahr nach ihrer Entführung die Erinnerung an die 99-tägige Schreckenszeit nach eigenen Angaben gut bewältigt. In einem Exklusiv-Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" sagten beide, sie fühlten sich gesundheitlich gut und seien im Alltag angekommen. Auf eine professionelle psychologischer Betreuung würden beide verzichten.
René Bräunlich sagte, im Rückblick sehe er die Entführung nicht
mehr so dramatisch. "Aber das kann ich nur deshalb so sagen, weil die
schlimme Sache so glücklich für uns ausgegangen ist." Thomas Nitzscke
ergänzte: " Am Ende sind wir - das wissen und empfinden wir aber erst
im Nachhinein - aus der gesamten Situation sogar gestärkt heraus
gekommen. Wir haben die Erfahrung gemacht, eine schwierige, höchst
unangenehme und bedrohliche Zeit durchgestanden zu haben." Beide
hätten einen gewissen Lernprozess durchlaufen, etwas nicht
Alltägliches meistern zu können. "Bis für uns heute etwas zum Problem
wird, muss es schon dicke kommen", so Nitzschke.
Ganz bewusst würden beide bis heute einen Medienrummel um ihre
Personen verweigern. "Wir haben doch nichts Lobenswertes getan, das
uns für die Menschen interessant machen sollte. Wir sind nicht stolz
darauf, was uns im Irak passiert ist", begründete Thomas Nitzschke.
"Was wir wollten, und wo wir auch auf Verständnis der Öffentlichkeit
hofften und hoffen, ist, schnellstmöglich zur Normalität
zurückzufinden. Das empfinden wir auch als ein Stück Verantwortung
unseren Familien und unserem Betrieb gegenüber."
Privat würden sich beide Familie inzwischen sehr nahe stehen.
René Bräunlich: "Wir kannten uns seit 2003 von der Firma her. Heute
sind wir richtig gute Freunde. Auch unsere Lebensgefährtinnen haben
sich in der Zeit der Entführung angefreundet. Und nun treffen wir uns
öfter zu viert und halten engen Kontakt." Bräunlich sagte weiter, er
lebe jetzt intensiver, gestalte seine Freizeit bewusster. "Ich fühle
Dinge um mich herum, die ich früher nicht bemerkt hätte oder reagiere
anders, gelassener auf bestimmte Situationen." Inzwischen spiele er
auch wieder Fußball: "Ich habe meinen Stammplatz von SV Grün-Weiß
Miltitz also wieder eingenommen und sorge im Mittelfeld mit dafür,
dass wir unseren guten dritten Platz in der 1. Kreisklasse halten und
noch verbessern."
Auch Thomas Nitzschke bekennt: "Ich bin einfach lebensbejahender
geworden." Außerdem blickt er beruflich optimistisch in die Zukunft:
"Ich denke, ich habe bei Cryotec noch eine gute Zeit vor mir. Als
Automatisierungsingenieur stehen immer wieder neue Anforderungen vor
mir, vor uns. Das macht die Tätigkeit hier so abwechslungsreich und
spannend." Bräunlich fügte hinzu: "Es gibt viele Aufträge, so dass
wir mit Hochdruck arbeiten. Was will man mehr?"
Mit dem Kapitel Irak hat Bräunlich abgeschlossen. Er könne sich
nicht vorstellen, nochmals in dieses Land zu fahren: "Ich denke, das
Kapitel ist für mich abgeschlossen." Thomas Nitzschke sagte dagegen:
"Ich habe mit meiner Freundin darüber gesprochen. Wenn der Frieden in
Irak einmal stabil sein wird, möchte ich ihr das Land gern einmal
zeigen. Irgendwie habe ich doch ein Verhältnis zum Irak und seinen
Menschen entwickelt, das mich nicht kalt lässt, sondern bewegt."
Insgesamt sind beide Ex-Geiseln weiterhin überwältigt von der großen Anteilnahme bei Mahnwachen und Friedensgebeten in Leipzig, die seinerzeit zur Befreiung mit beitrugen. Über den glücklichen Ausgang ihres Geiseldramas seien sich beide bewusst. Thomas Nitzschke: "Wenn ich in den Zeitungen blättere oder die Videos anschaue, denke ich immer wieder: Was hatten wir doch für ein unverschämtes Glück. Und das wollen René und ich jetzt auch genießen."
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung