DWS und Union Investment rechnen bei Schuldenschnitt für Griechenland mit Anlegerklagen
Archivmeldung vom 24.01.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDeutschlands große Fondsgesellschaften bereiten sich nach einem Schuldenschnitt für Griechenland auf Anlegerklagen vor. "Ich rechne mit Prozessen", sagte Johannes Müller, Chefvolkswirt der Deutsche-Bank-Tochter DWS, im Gespräch mit "Handelsblatt-Online". Der griechische Staat verhandelt im Moment mit großen privaten Gläubigern über einen Schuldenschnitt für griechische Anleihen. Grundsätzlich soll eine Beteiligung daran freiwillig sein. Kleinanleger sind nicht in die Verhandlungen einbezogen. Eine Einigung wäre für sie insofern nicht bindend.
Wer den Schuldenschnitt ablehnt, läuft zwar Gefahr, im Fall einer Staatspleite sein Geld komplett zu verlieren. Aber die Option, die Zustimmung zu verweigern, ist grundsätzlich gegeben. Bei Fondsanlegern sieht das anders aus. Sie sind zwar Kleinanleger, Gläubiger für ihre Anteile ist allerdings die Fondsgesellschaft, bei der sie investiert sind. Diese entscheidet daher auch, ob sie im Namen der einzelnen Anleger, die zum Beispiel über einen Rentenfonds indirekt in griechische Staatsanleihen investiert sind, am Schuldenschnitt teilnimmt. Doch wo dem einzelnen Anleger die Entscheidungsfreiheit über sein Geld verloren geht, kann es für Fondsgesellschaften ungemütlich werden. "In so einer Situation fühlt sich nicht jeder Anleger richtig behandelt", sagte Günther Welter, Portfoliomanager bei Union Investment, "Handelsblatt-Online". "Es ist nicht auszuschließen, dass es zu Anlegerprozessen kommt."
Das sieht auch Jens-Peter Gieschen, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, so: "Es gibt zwei Rechtsgrundlagen, auf denen Anleger gegen eine Fondsgesellschaft vorgehen können: Prospektfehler und Beratungsverschulden", sagte er gegenüber "Handelsblatt-Online". Das heißt: Wer nachweisen kann, dass er entweder durch den Verkaufsprospekt oder im Beratungsgespräch über die Risiken dieser griechischen Anleihen nicht richtig aufgeklärt wurde, kann Ansprüche geltend machen. Allerdings gibt es in solchen Fällen eine Verjährungsfrist von drei Jahren ab Zeichnung.
Der Bonner Wirtschaftswissenschaftler Manfred Neumann hält Griechenland nicht für wettbewerbsfähig. "Das heißt, sie können auf Dauer nicht die Devisen verdienen, die sie laufend ausgeben wollen und auch zum Teil ausgeben müssen aufgrund festgelegter Verträge", erklärte Neumann im Deutschlandfunk. Nur eine Pleite würde die Wettbewerbsfähigkeit des Landes wieder herstellen. "Eigentlich sollte man wirklich die Pleite angehen, denn nur die Pleite erlaubt es Griechenland wieder, auf einen Schlag durch eine Abwertung, große Abwertung wettbewerbsfähig zu werden", sagte der Wirtschaftsexperte. Allerdings glaube Neumann nicht, dass Griechenland diesen Schritt nicht gehen werde. Vielmehr werde Papademos diese Option als Druckmittel nutzen.
Euro-Gruppe will Klarheit über griechischen Sparkurs
Die Finanzminister der Euro-Gruppe haben haben sich erstmals öffentlich in die Verhandlungen der griechischen Regierung mit den Banken eingemischt und das Land zu deutlicheren Sparbemühungen aufgefordert. "Die Minister haben ihren griechischen Kollegen gebeten, die Verhandlungen mit den privaten Gläubigern so fortzusetzen, dass die Zinssätze der neu auszugebenden Staatsanleihen deutlich unter vier Prozent liegen", sagte Euro-Gruppen-Chef Juncker nach Beratungen in Brüssel. Es sei deutlich, dass das griechische Sparprogramm aus der Spur geraten sei. "Und deswegen muss mehr unternommen werden, bevor wir ernsthaft ein neues griechisches Hilfsprogramm angehen können", sagte Juncker.
Die Minister einigten sich in Brüssel auch auf einen Vertragstext für den dauerhaften Rettungsfonds ESM, der im Sommer in Kraft treten soll. Sein Volumen liegt zunächst bei 500 Milliarden Euro. Deutschland übernimmt davon 22 Milliarden Euro in bar und Garantien über 167 Milliarden. Im März soll überprüft werden, ob diese Summe ausreicht. Eurogruppenchef Juncker sieht den erarbeiteten Text als gute Grundlage für den EU-Gipfel am kommenden Montag.
Quelle: dts Nachrichtenagentur