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Jenseits von Bajonetten und Kriegsschiffen: Weltraumkrieg und die Zukunft der USA

Archivmeldung vom 26.11.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.11.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Falcon Hypersonic Cruise Vehicle
Falcon Hypersonic Cruise Vehicle

Es ist das Jahr 2025 und Amerikas ultra-moderner Überwachungsschirm mit seinen bewaffneten Drohnen erfüllt den Himmel von der unteren Atmosphäre bis in die Exosphäre. Dieses Wunder der modernen Zeit kann mit seinen Waffen jeden Punkt auf den Planeten in unglaublicher Geschwindigkeit erreichen, das Satellitenkommunikationssystem des Feindes ausschalten oder über Biometrie individuelle Personen über große Entfernungen verfolgen. Zusammen mit der Cyberkriegstechnologie ist es das technisch ausgereifteste militärische Informationssystem auf Erden und stellt eine Rückversicherung für die globale Vorherrschaft der USA bis tief ins 21. Jahrhundert dar. Das sind die Zukunftspläne des Pentagon; sie sind gerade in Entwicklung und die Amerikaner wissen nichts davon.

Firebee-Drohnen der US-Teilstreitkräfte
Firebee-Drohnen der US-Teilstreitkräfte
X-37 (on orbit) Boeing
X-37 (on orbit) Boeing

Die Amerikaner befinden sich immer noch in einem anderen Zeitalter. “Unsere Marine ist kleiner als zu jeder Zeit seit 1917,” beschwerte sich der republikanische Kandidat Mitt Romney während der letzten Präsidentschaftsdebatte.

Präsident Obama gab höhnisch zurück: “Also, Gouverneur, wir haben auch weniger Pferde und Bajonette, weil sich die Natur unseres Militärs geändert hat.. es geht nicht um die Anzahl der Kriegsschiffe. Es geht um unsere Fähigkeiten.” Obama gab später einen Hinweis darauf, was diese Fähigkeiten sein könnten: “Wir müssen über Cybersecurity nachdenken. Wir müssen über den Weltraum reden.”

Unter all den Diskussionen und Gesprächen im Nachgang zur Debatte gab es augenscheinlich keinen einzigen Kommentator, der bemerkt zu haben schien, welcher profunde Strategiewechsel in den dürren Worten des Präsidenten liegt. Hat doch die Obama-Administration in den letzten vier Jahren eine technische Revolution in der Verteidigungsplanung eingeleitet, welche die Nation jenseits von Bajonetten und Kriegsschiffen in Cyberkriege und die volle Militarisierung des Weltraums führte. Sollte sich die US-Vorherrschaft in irgendeiner Weise ins 21. Jahrhundert fortsetzen, so könnte der gewaltige Durchbruch auf dem Gebiet der sogenannten “Informationskriegsführung” der Hauptgrund dafür sein.

Wenngleich die technologischen Veränderungen absolut revolutionär sind, so haben sie doch tiefe Wurzeln in der Charakteristik amerikanischer globaler Machtausübung. Dies war schon von dem Moment an ersichtlich, als diese Nation mit der Eroberung der Philippinen 1898 die Weltbühne betrat. Im Verlauf eines Jahrhunderts geriet das US-Militär in drei Hexenkessel von Aufstandsbekämpfungen – auf den Philippinen, in Vietnam, und in Afghanistan - wobei es jeweils an den Rande des Zusammenbruchs geriet. Die Reaktion war in allen drei Fällen die Fusion der fortschrittlichsten Technologien der Nation zu einer neuartigen Informationsstruktur von beispielloser Effizienz.

Dieses Militär entwickelte zuerst ein manuelles Informationssystem für die Pazifizierung der Philippinen, dann einen computerisierten Apparat, um die kommunistischen Guerillas in Vietnam in den Griff zu bekommen. Schlussendlich hat das Pentagon während der Jahre des Irak- und Afghanistankrieges begonnen, die Techniken der Biometrie, der Cyber-Kriegsführung und eines zukünftigen Dreifach-Überwachungsschirmes (triple canopy) miteinander zu fusionieren.

Amerikas erste Informationsrevolution

Dieses charakteristische US-System der imperialen Informationssammlung (und die Überwachungsmaßnahmen sowie kriegsauslösenden Praktiken, die damit verbunden sind) lässt sich auf einige brillante amerikanische Innovationen auf dem Gebiet der Textverarbeitung, der statistischen Datenverarbeitung und der Bildverarbeitung zurückführen. Die Summe dieser Elemente gebar eine neue Informationsstruktur, die eine noch nie dagewesene Fähigkeit zur Massenüberwachung besaß.

Als die USA 1917 in den 1.Weltkrieg eintraten, zehrte der “Vater des US-Miltärgeheimdienstes” Oberst Ralph Van Deman von den Methoden, die er Jahre zuvor auf den Philippinen entwickelt hatte, wo er auch den Militärgeheimdienst der Armee gegründet hatte. Er rekrutierte Personal, das von einer Person (er selbst) auf 1700 Personen an schwoll und beschäftigte etwa 300.000 Zivilisten, um über eine Million Seiten Überwachungsberichte über amerikanische Bürger erstellen zu lassen; er legte so den Grundstock für einen permanenten heimischen Überwachungsapparat.

Eine Version des Systems war das OSS (Office of Strategic Services), das während des 2. Weltkrieges zur Erfolgsgeschichte wurde. Unter seinen 9 Abteilungen rekrutierte die Abteilung “Research & Analysis” fast 2000 Akademiker, welche 300.000 Photos, eine Million Landkarten und drei Millionen Registerkarten als Grundlage eines Informationssystems nutzten, um unzählige taktische Fragen zu beantworten.

Aber schon Anfang 1944 drohte das OSS unter der Flut von Informationen zu ersticken. Eine Menge des Materials, das so sorgfältig gesammelt worden war, konnte nicht verarbeitet werden und verstaubte in den Archiven. Trotz seiner globalen Reichweite hätte das erste US-Informationsregime in Abwesenheit technologischer Durchbrüche sehr wohl kollabieren können, was den Fluss von Geheimdiensterkenntnissen aus dem Ausland verlangsamt hätte, der sich als so wichtig für die amerikanische Vorherrschaft nach dem 2. Weltkrieg erwies.

Die Computerisierung des Vietnam-Krieges

Unter dem Druck des endlosen Krieges in Vietnam wandten sich diejenigen, welche die US-Informations-Infrastruktur betrieben, dem computerisierten Datenmanagement zu und starteten damit das zweite amerikanische Informationsregime. Unter dem Einsatz der größten IBM-Mainframe-Computer erstellte das US-Militär monatliche Sicherheitsauswertungen aller 12.000 Dörfer in Südvietnam und speicherte die drei Millionen Dokumente des Feindes, welche die US-Soldaten jährlich beschlagnahmten, auf gigantischen Filmrollen ab. Zu selben Zeit ordnete und digitalisierte die CIA diverse Daten über die kommunistische Infrastruktur im Rahmen ihres berüchtigten Phoenix Programms. Diese wiederum wurde zur Basis für systematische Folterungen und 41.000 “außergerichtliche” Exekutionen.

Besonders eifrig war die US-Luftwaffe, die über 800 Millionen Dollar jährlich dafür einsetzte, Laos mit einem Netzwerk von 20.000 akustischen, seismischen, hitze- und Ammonium-empfindlichen Sensoren auszustatten, um die Lastwagenkonvois entlang des Ho Chi Minh-Pfades unter der Dschungeldecke aufzuspüren. Ein Computersystem sammelte die Informationen, um die Ziele für die unaufhörlichen Bombenangriffe zu bestimmen. Dennoch konnten 100.000 Vietnamesen mit all ihren Lastwagen, Panzern und ihrer schweren Artillerie unbemerkt durch dieses Überwachungsnetzwerk schlüpfen und 1972 die Hue-Offensive starten.

In diesem Hexenkessel, der zum größten Luftkrieg der Geschichte ausartete, beschleunigte die US-Luftwaffe die Transformation hin zu einem neuen Informationssystem, welches 3 Jahrzehnte später große Bedeutung erreichen sollte: Die Firebee-Drohne. Bei Kriegsende hatte sie sich in ein agiles unbemanntes Flugzeug verwandelt, welches in der Folge 3500 geheime Aufklärungsflüge über China, Nordvietnam und Laos absolvierte.

1972 konnte die SC/TV-Drohne – bestückt mit einer Kamera an der Spitze – eine Strecke von 2400 Meilen zurücklegen, wobei sie über einen niedrig-auflösenden Fernsehbildschirm navigiert wurde.

Trotz aller Fehlschläge im Vietnamkrieg, welche Amerikas Macht einen gewaltigen Schlag versetzten, haben all die computerisierten Datenerfassungstechniken den Grundstein dafür gelegt, was in den folgenden 30 Jahren zum dritten – vollautomatischen – Informationsregime führte.

Der globale Krieg gegen den Terror

Als sich Washington bei der versuchten “Pazifizierung” zweier komplexer Gesellschaften – Afghanistan und Irak - am Rande der Niederlage sah, reagierte es darauf, dass es Technologien der elektronischen Überwachung, der biometrischen Identifikation und des Drohnenkrieges anpasste. Alle diese Techniken verschmelzen nun zu einem Informationsregime, welches mächtiger und zerstörerischer ist, als alles, was es zuvor gab.

Nach sechs Jahren der vergeblichen Aufstandsbekämpfung im Irak entdeckte das Pentagon die Möglichkeiten der biometrischen Identifikation und der elektronischen Überwachung, um die überbordenden Städte des Landes befrieden. Es baute eine biometrische Datenbasis mit den Fingerabdrücken und Iris-Aufnahmen von über einer Million Irakis auf, welche die US-Patrouillen auf den Straßen von Bagdad über eine Satellitenverbindung in das Computercenter in West-Virginia jederzeit abrufen können.

Als Obama an die Macht kam und die Ausdehnung der US-Kriegsanstrengungen in Afghanistan befahl, wurde dieses Land zur neuen Front beim Testen und bei der Perfektionierung solcher biometrischer Datenbanken; auch wurde es zusammen mit den Grenzgebieten zu Pakistan Ziel eines ausgedehnten Drohnenkrieges, der letzten Errungenschaft eines Technologiekrieges, der schon von der Bush-Administration gestartet wurde. Das bedeutete die Beschleunigung der technologischen Entwicklungen im Drohnenkrieg, der in den zwei Jahrzehnten nach dem Vietnamkrieg weitgehend eingestellt worden war.

Die Predator-Drohne wurde 1994 als unbewaffnetes Überwachungsflugzeug im Experimentierstadium eingeführt und wurde erstmals im Jahre 2000 für den Kampf-Überwachungseinsatz in der CIA-Operation “Afghan Eyes” eingesetzt. Im Jahre 2011 war die weiterentwickelte Drohne MQ-9 Reaper bereits mit Bomben und Raketen ausgerüstet und verfügte über Sensoren, welche Spuren am Boden aus 1600 Meter Höhe erkennen kann und Fußspuren bis zur Stellung des Feindes zurückverfolgen kann.

2009 unterhielten die CIA und das US-Militär in Afghanistan, dem Irak und Pakistan bereits eine Armada von 195 Predator- und 28 Reaperdrohnen - und die Armada wuchs seitdem weiter an. Abgesehen von den Kriegsschauplätzen gibt es insgesamt 7000 US-Drohnen.

Durch den Unterhalt von 35 eigenen Drohnen und dem Leasing von Drohnen der US-Luftwaffe hat die CIA die Grenze ihrer Aufklärungsaufgabe überschritten und baut für sich eine eigene paramilitärische Roboter-Streitmacht auf.

Im selben Jahr (2009) ging eine andere Form des Informationskrieges im wahrsten Sinn des Wortes “online”. Über den Zeitraum zweier Administrationen hinweg gibt es ein kontinuierliche Erweiterung von Cyber-Kriegskapazitäten in den USA und dem Ausland. 2002 autorisierte Präsident George W. Bush die NSA (National Security Agency) illegalerweise, Millionen von Mails innerhalb ihrer hochgeheimen Datenbank “Pinwale” zu verarbeiten, welche (Stand: 2009) eine Milliarde individuelle Datensätze umfasst.

Unter den Präsidenten Bush und Obama ist die ursprünglich defensive digitale Überwachung zu einer offensiven “Cyberkriegsmacht” mutiert, welche bereits im ersten bedeutenden Cyberkrieg der Geschichte gegen den Iran eingesetzt wurde. Im Jahre 2009 formierte das Pentagon das US-Cyberkommando (CYBERCOM) in Ft. Meade in Maryland und gründete ein Zentrum für Cyberkrieg auf dem Luftwaffenstützpunkt Lackland Air Base in Texas. Dort arbeiten jetzt 7.000 Angestellte. Zwei Jahre später erklärte das Pentagon den Cyberraum (wie den Luftraum, Land und See) zu einer Operationsdomäne und begann, einen Kader von Cyberkriegern auszubilden, welche Offensivoperationen starten können; Beispiele sind die vielen Angriffe auf die computergesteuerten Zentrifugen in den iranischen Nuklearanlagen und die Banken des Mittleren Ostens, welche Geschäfte mit dem Iran abwickeln.

Ein robotisiertes Informationsregime

Wie der philippinische Aufstand und der Vietnamkrieg, so dienten auch die Okkupationen des Irak und Afghanistans als Katalysator für ein neues Informationsregime, indem Weltraumtechnik, Cyberspacetechnik, Biometrie und Automatisierungstechniken zu einem Apparat von nie dagewesener Macht fusioniert werden. Nach Jahren des Bodenkriegs in beiden Ländern und der kontinuierlicher Ausweitung des Budgets des Pentagons hat die Obama-Administration im Jahre 2012 eine Verschlankung der zukünftigen Verteidigungsstrategie angekündigt. Sie umfasst ein 14%ige Kürzung im Bereich der Infanterie, welche durch verstärkte Investitionen in den Bereichen Weltraum und Cyberspace kompensiert werden soll.

Bis zum Jahre 2020 soll die neue Verteidigungsarchitektur theoretisch in der Lage sein, Weltraum-, Cyberspace- und bodengestützten Kampf unter Einsatz von Automatisierungs- bzw. Robotertechnik derartig miteinander zu verknüpfen, dass – laut Anforderung – die Bereitstellung von nahtlosen Informationen für lethale Aktionen möglich ist. Wichtig dabei ist, dass die Exosphäre und der Cyberraum weitgehend unregulierte Bereiche für militärischer Konflikte darstellen und sich zum großen Teil jenseits von internationalem Recht befinden.

Und Washington hofft, beide unbeschränkt als archimedische Hebel nutzen zu können, um neue Formen globaler Herrschaft im 21. Jahrhundert ausüben zu können, so wie das Britische Empire einst mit seiner Flotte die Meere beherrschte und wie das Amerikanische Imperium im Kalten Krieg seine globale Herrschaft mithilfe seiner Luftüberlegenheit ausübte.

Und während Washington die Überwachung des Globus vom Weltraum aus praktizieren will, wird sich die Welt möglicherweise fragen: Wie hoch hinauf geht die nationale Souveränität? Da es kein internationales Abkommen über die vertikale Ausdehnung des souveränen Luftraums gibt, wird mancher böswillige Anwalt des Pentagon sagen: Nur so hoch, wie man sie durchsetzen kann. Und Washington hat diese Gesetzeslücke mit einer geheimen Vollzugsmatrix gefüllt, die von der CIA und dem finsteren Kommando für Spezialoperationen (Special Operations Command) betrieben wird. Sie stellt Namen nach Gutdünken auf eine Todesliste, ohne richterliches Wissen und ohne richerliche Anordnung. Das bedeutet stiller, plötzlicher Tod aus heiterem Himmel für Terrorverdächtige in der ganzen muslimischen Welt und darüber hinaus.

Obwohl die US-Pläne für die Weltraumkriegsführung hochgeheim sind, kann man sich die Bestandteile des Weltraumpuzzles zusammensuchen, wenn man die Webseiten des Pentagons durchstöbert und dabei viele der Schlüsselkomponenten in technischen Beschreibungen der DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) findet. Schon 2020 hofft das Pentagon, den Globus ununterbrochen patrouillieren zu können, unbarmherzig mittels eines dreifachen Überwachungsschildes von der Stratosphäre bis hinein in die Exosphäre, durchkreuzt von Drohnen mit lenkbaren Raketen, untereinander verbunden über ein stabiles modulares Satellitensystem, überwacht durch ein teleskopisches Panoptikum und – vollautomatisch betrieben.

Für die unterste Ebene dieses entstehenden US-Überwachungsapparates, zwischen Erdoberfläche und der unteren Stratosphäre, baut das Pentagon eine Armada von 99 Global Hawk-Drohnen auf, die mit hochauflösenden Kameras das gesamte Terrain innerhalb eines 100-Meilenradius überwachen und mit ihren elektronischen Sensoren den Datenverkehr anzapfen können. Effiziente Antriebsaggregate erlauben einen 24 Stunden-Flugbetrieb. Weiterhin gehören in Zukunft Triple Terminator-Raketen zur Ausrüstung, mit denen Ziele am Boden zerstört werden können. Ende 2011 haben die US-Luftwaffe und die CIA bereits die europäische Landmasse mit einem Netzwerk von 60 Basen eingekesselt, deren Drohnen mit Hellfire-Raketen und GBU-30-Bomben bestückt sind. Damit können Luftschläge überall in Europa, Afrika oder Asien ausgeführt werden.

Der hohe Entwicklungsstand der Technologie wurde im Dezember 2011 enthüllt, als eine der RQ-170 Sentinels der CIA im Iran zur Landung gezwungen wurde. An die Öffentlichkeit kam eine Tarnkappendrohne mit einem Radarsystem mit aktiver elektronischer Strahlschwenkung. Weiterhin besitzt die Drohne eine fortschrittlichen Optik, die “dem Betreiber erlaubt, Terrorverdächtige auf eine Entfernung von zehntausenden Fuß aus der Luft heraus zu identifizieren.”

Wenn die Dinge nach Plan laufen, sollen in derselben unteren Ebene in einer Höhe von 18.000 Meter unbemannte Flugzeuge patrouillieren, wie diejenigen des Typs Vulture; sie besitzen Solarpanel auf ihren Flügeln mit 400 Fuß Spannweite. Sie fliegen ohne Unterlass bis zu fünf Jahre um den Globus und haben Sensoren für eine “ununterbrochene” Überwachung und möglicherweise Raketen für tötliche Luftschläge an Bord. Um sich eine Vorstellung der Glaubwürdigkeit der neuen Technologie zu machen: Das von der NASA betriebene Solarflugzeug “Helios” flog in einer Höhe von über 30.000 Metern bei einer Flügelspannweite von ca. 85 Metern. Das war im Jahre 2001.

Für die nächste Ebene in der oberen Stratosphäre arbeiten die DARPA und die Air Force an der Entwicklung des Falcon Hypersonic Cruise Vehicle. Es bewegt sich in einer Höhe von 32 Kilometer und soll eine Last von 5,5 Tonnen über eine Entfernung von 16.600 Kilometer vom Festland der USA aus in weniger als zwei Stunden transportieren können. Obwohl die ersten beiden Testflüge im April 2010 und im August 2011 unterwegs versagten, erreichten die Systeme eine Geschwindigkeit von knapp 21.000 km/h oder 22-fache Schallgeschwindigkeit und übermittelten “einzigartige Daten”, welche helfen sollen, die restlichen aerodynamischen Probleme lösen.

Auf der obersten Ebene des Dreifach-Überwachungsschirmes kommt die X-37-B-Weltraumdrohne zum Einsatz. Im April 2010 startete das Pentagon still und heimlich die Weltraumdrohne, ein unbemanntes Fluggerät von nur 10 Meter Länge, in eine Umlaufbahn von 400 km über der Erde. Der zweite Prototyp landete im Juni 2012 nach einem 15-monatigen Einsatz auf der Vandenberg Air Force Base. Diese geheime Mission stellte einen erfolgreichen Test eines “vollautomatisch kontrollierten wiederverwendbaren Weltraumfahrzeugs” dar und untermauerte die Machbarkeit des Einsatzes von unbemannten Weltraumdrohnen in der Exosphäre.

An der Spitze dieses 3fachen Überwachungsschirmes, 320 Kilometer über der Erde, wo die Weltraumdrohnen ihre Bahnen ziehen, sind Orbitalsatelliten die primären Ziele. Sie sind sehr verwundbar; China setzte 2007 eine Boden-Luftrakete ein, um einen der eigenen Satelliten abzuschießen. Als Reaktion darauf entwickelt das Pentagon das F6-Satellitensystem, welches keine großen monolihischen Satelliten einsetzt, sondern Gruppen von Elementen und Knoten, welche über Funk miteinander kommunizieren. Bei Ausfall eines Elements infolge von Attacken oder technischem Versagen können diese leicht durch redundante Elemente ersetzt werden.

Letztendlich hängen die Auswirkungen diese dritten Informationsregimes von der Fähigkeit des US-Militärs ab, die ganze Reihe der globalen Luft- und Weltraumwaffen in eine vollautomatische Struktur zu integrieren, welche alle Operationen in allen Kriegsdomänen koordiniert: Weltraum, Cyberraum, Himmel, Meer und Land. Um den ansteigenden Strom von Informationen innerhalb des sorgfältig ausgewogenen Systems des Überwachungsapparates handhaben zu können, muss das System letztendlich in der Lage sein, sich selbst zu erhalten. Daran arbeitet das Pentagon im Projekt FREND, welches eines Tages Treibstoff liefern könnte, Reparaturen durchführt oder Satelliten positioniert.

Die DARPA baut das Weitwinkel-Weltraum-Überwachungsteleskop (wide-angle Space Surveillance Telescope – SST). Das System ermöglicht den künftigen Weltraumkriegern, den gesamten Himmel rund um den Globus zu sehen und jedes Objekt zu verfolgen, welches sich über der Erde befindet.

Der Betrieb dieses hoch komplexen Apparats erfordert eine gewaltige Koordinationsarchitektur. Im Jahre 2010 verfügte die National Geospatial-Intelligence Agency über 16.000 Angestellte, ein Budget von $5 Milliarden und über ein massives Hauptquartier (Kosten: $2 Milliarden) in Fort Belvoir in Virginia. 8500 Leute sind damit beschäftigt, die Flut an Überwachungsdaten von den Predators, Reapers, U-2-Sponageflugzeugen, Global Hawks, X-37B-Weltraumdrohnen, den Weltraumüberwachungsteleskopen usw. zu koordinieren.

Ab 2020 soll der Apparat in der Lage sein, einen “Terroristen” mittels einer Rakete zu atomisieren, nachdem man ihn nach Identifikation seiner Gesichtszüge über hunderte von Kilometern durch Felder und Favelas verfolgt hat. Oder man macht eine gesamte Armee kampfunfähig, indem man alle Kommunikationssysteme, Luftleitsysteme und Marinenavigationssysteme ausschaltet.

Technologische Vorherrschaft oder Techno-Desaster?

Blickt man in die Zukunft, so gibt es zwei Szenarien für die Fortdauer der US-Machtposition auf dem Globus. Wenn alles nach Plan läuft, so wird das Pentagon im dritten Jahrzehnt diese Jahrhunderts über ein Überwachungsinstrument für die Erde, den Himmel und den Weltraum unter Einsatz von Robotertechnik verfügen, um die Datenflut zu koordinieren, welche aus aus der Überwachung auf Strassenebene (biometrische Daten von Kameras, Gesprächsaufzeichnungen, Bewegungsmuster), aus dem Cyber-Data-Mining, aus dem weltweiten Netz der Weltraumteleskope und dem 3-fachen Schirm der Luft-Weltraumpatrouillen kommen. Über ein entsprechendes Datenmanagement besitzen die USA eine tödliches Instrumentarium als Ausgleich zum weiteren Verlust ökonomischer Macht.

Aber wie in Vietnam bietet die Geschichte einige pessimistische Parallelen, wenn man die Sicherstellung der globalen Hegemonie alleine durch militärische Macht in Augenschein nimmt. Selbst wenn das vollautomatische Informationsregime die wachsende militärische Macht Chinas unter Kontrolle halten könnte, so könnten die USA mit ihrem System trotzdem nur dieselbe Chance haben, die Vorherrschaft auf der Welt auszuüben, wie das Dritte Reich mit seinen Superwaffen V2 und Messerschmitt Me-262. Verkompliziert wird die Angelegenheit weiterhin dadurch, dass die Illusion der Allwissenheit Washington zu weiteren, noch teureren militärischen Abenteuern verführen könnte, wie in Vietnam und im Irak.

Wenn die Zukunft von Amerikas Weltmachtstellung von aktuellen Ereignissen bestimmt wird, anstatt von langfristigen ökonomischen Trends, dann könnte das Schicksal Amerikas davon abhängen, was zuerst eintritt: Ein militärisches Debakel aus der Illusion der Technikbeherrschung heraus, oder ein neues technologisches Regime, das in der Lage ist, die Vorherrschaft zu perpetuieren.

Quelle: Text von Alfred W. McCoy - deutsche Übersetzung politaia.org

Alfred W. McCoy is the J.R.W. Smail Professor of History at the University of Wisconsin-Madison. He is the lead author of Endless Empire: Spain’s Retreat, Europe’s Eclipse, America’s Decline (University of Wisconsin, 2012), which is the source for much of the material in this essay. This article was first published by Tom Dispatch

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