Spaniens absurdes Knebelgesetz schlägt erneut zu: 300 Euro Strafe für Cola-Trinken in der Öffentlichkeit
Archivmeldung vom 05.09.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittRT Deutsch veröffentlicht einen weiteren Beitrag wonach spanische Behörden und die Regierung sich weiter unbeeindruckt von der Kritik an dem Knebelgesetz zeigen, das seit Juli dieses Jahres gilt. Demnach sieht das offiziell betitelte „Gesetz zum Schutze der Bürger“ drakonische Strafen für kritische Meinungsäußerungen im Internet oder für die Teilnahme an Demonstrationen vor und wurde bereits mehrfach angewendet. Nun macht der Fall vier junger Spanier Schlagzeilen, die auf einem öffentlichen Platz saßen und Cola tranken. Die Folge: 300 Euro Strafe für jeden der vier Jugendlichen wegen Teilnahme an einer „illegalen Versammlung“.
In dem Bericht bei RT Deutsch heißt es weiter: "Ein neuer Fall der Anwendung des spanischen Knebelgesetzes erregt in dem südeuropäischen Land die Gemüter. Über 52.000 mal wurde der Facebook-Eintrag von Laura Esarm, die von den Geschehnissen berichtet, schon geteilt. Die Geschichte klingt absurd, ist jedoch traurige Realität seitdem die konservative Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy das hoch umstrittene, sogenannte „Gesetz zum Schutze der Bürger“ verabschiedet hat. In Spanien wird das neue Regelwerk jedoch nur „Knebelgesetz“ genannt. Denn – so die Meinung vieler – es diene nur dazu, die Bürger mundtot zu machen und sie mit martialischen Strafen davon abzuhalten an Demonstrationen teilzunehmen oder zu diesen aufzurufen.
Doch derart renitent zeigten sich die vier jungen Spanier, die nun von der neuen Gesetzgebung betroffen sind, nicht einmal. Sie trafen sich lediglich zum gemeinsamen Pizzaessen und bestellten dazu eine Cola – zum Mitnehmen. Auf den Treppenstufen des Platzes ihrer Heimatstadt Lucena saßen die Vier nach dem Verzehr der Pizza dann noch eine Weile mit den Erfrischungsgetränken in der Hand.
Für die herbeigeeilte Polizei war der Fall klar: Eindeutig eine illegale, nicht angemeldete Versammlung im öffentlichen Raum. Die Konsequenz: 300 Euro Strafe für jeden der vier Freunde.
Die spanische Zeitung El País betont, weder haben die Jugendlichen Lärm gemacht, noch Dreck, auch tranken sie keinen Alkohol, niemand beschwerte sich. Das spanische Knebelgesetz deckt jedoch die Bestrafung „für Versammlungen und Aufenthalt in der Öffentlichkeit zum Zwecke des Verzehrs von Getränken“ ab. Überrascht ist man in Spanien nun, dass dies auch für nicht-alkoholische Erfrischungsgetränke gilt. Den Weg über die Gerichte muss der Fall nicht gehen, die Polizisten sind legitimiert die Strafen nach eigenem Ermessen zu verhängen.
Auch für vermeintliche Vergehen im digitalen Raum fallen in Spanien nun empfindliche Strafen an. So bezeichnete der 27-jährige Spanier Eduardo Díaz die Bürgermeisterin von Teneriffa und die örtliche Polizei jüngst auf Facebook als „Drückeberger“. Nur wenige Stunden nach dem Posting standen die Gesetzeshüter vor der Tür von Díaz und informierten ihn darüber, dass sein Kommentar ein Bußgeld zwischen 100 und 600 Euro zur Folge haben wird.
800 Euro musste eine Spanierin zahlen weil sie ein Polizeiauto, das im Halteverbot parkte, fotografierte und das Bild nebst eines sarkastischen Kommentars auf Facebook postete. Dies sei eine Beleidigung der „Ehre“ der Beamten gewesen, weswegen der Vorfall den städtischen Behörden gemeldet wurde.
Spaniens Knebelgesetz wurde am 1. Juli dieses Jahres verabschiedet und untersagt auch Demonstrationen in der Nähe von Parlaments- und Senatsgebäuden. Zuwiderhandlungen haben Strafen von bis zu 600.000 Euro zur Folge. Schuldig macht sich auch, wer Aufrufe zu Demonstrationen über soziale Netzwerke teilt. Die Strafen dafür können existenzvernichtende Summen annehmen.
Sowohl die Vereinten Nationen, wie auch Amnesty International kritisierten das Gesetz bereits scharf. Ministerpräsident Rajoy wird vorgeworfen, Demonstrationen verhindern zu wollen, um die aufstrebende Bewegungspartei Podemos gezielt zu schwächen, die Rajoys Partido Popular bei den Parlamentswahlen Ende dieses Jahres gefährlich werden könnte.
Gefährlich ist es für Spanier nun allerdings vor allem, eine kritische Meinung frei zu äußern – oder auch nur einen Schluck Cola in der Öffentlichkeit zu trinken. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die versuchte Unterdrückung von Kritik an der Regierung auch in Spanien alsbald als Eigentor erweisen könnte.
Quelle: "RT Deutsch"