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Zentralrat der Juden kritisiert Obamas Nahost-Politik scharf

Archivmeldung vom 15.06.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.06.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat US-Präsident Barack Obama wegen dessen Nahostpolitik scharf kritisiert. "Die neue amerikanische Politik gibt Grund zur Sorge", schreibt der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan J. Kramer in einem Beitrag für den in Berlin erscheinenden Tagesspiegel.

Das Verhältnis zwischen den USA und Israel sei belastet wie seit langem nicht mehr. Obamas Forderung an die Regierung in Jerusalem, sich zur Gründung eines palästinensischen Staates zu bekennen und jegliche Siedlungstätigkeit im Westjordanland und in Ostjerusalem einzustellen, sei so öffentlich und brüsk vorgetragen worden, dass Israel nun wie ein "gescholtener Schuljunge" dastehe. Sollte die US-Regierung den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu "weiter in die Enge treiben", dann sei eine Verschärfung des Nahostkonflikts wohl nur eine Frage der Zeit, schreibt Kramer weiter.

Den vollständigen Beitrag finden Sie im Folgenden:

Gut gemeint ist nicht gut genug Obamas Nahostpolitik zeugt von einem Mangel an historischem Verständnis

Das Verhältnis zwischen den USA und Israel ist belastet wie seit langem nicht mehr. US-Präsident Barack Obama fordert von Jerusalem nicht nur, sich zur Gründung eines palästinensischen Staates zu bekennen und jegliche Siedlungstätigkeit im Westjordanland und in Ostjerusalem einzustellen. Vielmehr wurden beide Forderungen so öffentlich, so oft und so brüsk wiederholt, dass Israel wie ein gescholtener Schulbube dasteht. Dabei versteht sich der US-Präsident keineswegs als ein Gegner des jüdischen Staates. In seiner Rede an die islamische Welt setzte er sich in der vergangenen Woche für Israel als eine jüdische Heimat ein, bekannte sich zu einem unverbrüchlichen Bund zwischen Amerika und Israel, verurteilte jeglichen Antisemitismus und erteilte der Holocaust-Leugnung eine eindeutige Absage. Dennoch gibt die neue amerikanische Politik Grund zur Sorge. George W. Bush hatte zwar nicht alle israelischen Siedlungen für unbedenklich erklärt, Israel aber zugestanden, die wichtigsten Siedlungsblocks im Westjordanland behalten zu können. Dass die jüdischen Wohnviertel Ostjerusalems bei Israel verbleiben, ist ein bereits unter Bill Clinton verankerter Grundsatz. Mit diesen Leitlinien hat Obama gebrochen, als er alle israelischen Bauten jenseits der alten Grenze für "illegitimate" erklärte - ein englisches Dehnwort, dessen Bedeutung von "unzulässig" bis hin zu "ungesetzlich" reicht. Damit erklärte Obama nicht nur die etwa 50 000 bis 60 000 Israelis in den bisher strittigen Westbank-Siedlungen, sondern alle 400 000 in Ostjerusalem und Westjordanland lebenden Juden zu Israels Sündenfall. Diese Definition wird auch vom Großteil des israelischen Friedenslagers abgelehnt. So lässt sich nicht ausschließen, dass die USA Israels Premier Benjamin Netanjahu ganz bewusst in die Enge treiben, um Pluspunkte in der islamischen Welt zu sammeln. Zudem wirft Obamas Kairoer Rede trotz des Bekenntnisses zu Israel Fragen zu seiner Weltanschauung auf. So bezeichnete der Präsident etwa die Israelis und die Palästinenser als "zwei Völker mit legitimen Bestrebungen, ein jedes mit einer schmerzvollen Geschichte". Die darin zum Ausdruck kommende Gleichstellung des jüdischen Schicksals einschließlich des Holocausts mit der Situation der Palästinenser zeugt von einer emotionalen Schieflage. Auch stellte Obama die israelische Besatzung palästinensischer Gebiete mit der Sklaverei in den USA gleich. Er forderte die Palästinenser zum Gewaltverzicht auf: "Jahrhundertelang mussten Schwarze in Amerika Peitschenschläge als Sklaven und Erniedrigung durch Rassentrennung erdulden. Es war aber nicht durch Gewalt, dass sie volle und gleiche Rechte erlangten." Eine Äußerung, die von Mangel an historischem Verständnis zeugt. Am Sonntag hat Netanjahu mit einer eigenen Grundsatzrede versucht, einen sicheren Weg zwischen der Scylla von Obamas Forderungen und der Charybdis von Israels innenpolitischen Zwängen zu finden. Bei der Siedlungspolitik blieb der israelische Premier hart und lehnte einen Siedlungsstopp ab, doch kam er den USA bei der Zweistaatenlösung entgegen. Dabei knüpfte er seine Zustimmung an einen Verzicht der Palästinenser auf ihr Ziel, Israel durch palästinensische Masseneinwanderung in einen binationalen Staat zu verwandeln, und an eine strukturelle Nichtangriffsfähigkeit des palästinensischen Staates. Diese Forderungen sind nicht ideologischer, sondern sicherheitspolitischer Natur. Nun muss Washington entscheiden, ob es Netanjahus Teilzugeständnis als einen Erfolg wertet und die berechtigten israelischen Forderungen an die Palästinenser weiterleitet, oder Netanjahu wegen der Siedlungspolitik weiter einseitig in die Enge treibt. Im letzteren Fall wäre eine Verschärfung des Nahostkonflikts wohl nur eine Frage der Zeit. In einer so komplexen Region wie dem Nahen Osten ist gut gemeint nicht gut genug.

Quelle: Der Tagesspiegel (von Stephan J. Kramer)

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