Ex-Nato-General: Bündnisfall nach Anschlägen nicht ausgeschlossen
Archivmeldung vom 14.11.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNach den Terroranschlägen in Paris hält der frühere Nato-General Egon Ramms die Ausrufung eines Nato-Bündnisfalls als Reaktion auf die Terroranschläge nicht mehr für ausgeschlossen. "Eine ähnliche Situation hat im Jahr 2001 zum Bündnisfall geführt", sagte Ramms der "Bild". "Der Nato-Rat müsste auf Antrag von Frankreich entscheiden, ob das nach den Anschlägen von Paris jetzt auch der Fall ist."
Ramms ist ein ehemaliger General des Heeres der Bundeswehr und war von 2007 bis 2010 Oberbefehlshaber des Allied Joint Force Command in Brunssum (Niederlande) und damit zugleich ranghöchster deutscher General der Nato.
Auch der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, hält einen Nato-Bündnisfall nicht für ganz ausgeschlossen. "Ob der Artikel 5 ausgerufen wird oder nicht, ist eine Interpretationsfrage", sagte Kujat der Zeitung. "Ist ISIS ein Feind, der Frankreich von Innen oder Außen angreift? Nach meiner Interpretation handelt es sich um einen Angriff von Außen. Die Frage nach dem Bündnisfall ist jedoch an die Frage gekoppelt, wozu man im Kampf gegen ISIS bereit ist. Meines Erachtens wären in dem Fall Bodentruppen die einzige Alternative."
Unterstützung erhalten Ramms und Kujat für ihre Sichtweise auch aus der Politik. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Wolfgang Hellmich sagte der "Bild": "Es ist in der Nato zu klären, wie ein solcher Anschlag zu werten ist. Das wird der Nato-Rat sicherlich tun. Frankreich gehört im Kampf gegen den Terrorismus unsere ganze Solidarität. Es ist auch unser Kampf! Vor allem aber muss die EU ihre Außen-Grenzen gegen die Infiltration von Extremisten schützen."
Mit Blick auf die Opfer der Anschläge sagte Hellmich: "Mein tiefes Mitgefühl ist bei unseren französischen Freunden. Ein solcher unfassbarer Anschlag ist ein Anschlag gegen unsere freiheitlichen Werte in der ganzen Welt. Es gibt ja wohl einen Zusammenhang zur Syrien-Konferenz in Wien."
Auch SPD-Verteidigungsexperte Thomas Hitschler sieht die Nato nach den Terror-Anschlägen jetzt in der Pflicht. "Nach den Attentaten von Paris stehen wir in voller Solidarität zu unseren Nato-Freunden", sagte er der "Bild". "Dieser Angriff galt uns allen. Wie wir reagieren, können wir aber erst nach Auswertung aller Fakten sagen."
Auch FPD-Chef Christian Lindner fordert jetzt die Solidarität der Nato-Mitgliedstaaten mit Frankreich. "Frankreich kann sich in dieser Stunde auf seinen Freund und Verbündeten Deutschland verlassen. Wir unterstützen die Bundeskanzlerin, wenn sie Frankreich die deutsche Solidarität im Kampf gegen die Barbarei zusagt."
Die Mitgliedstaaten der Nato haben sich für den Fall eines Angriffs zu gegenseitigem Beistand verpflichtet. Nach den Artikeln 5 und 6 des Nato-Vertrages wird dieser Bündnisfall ausgelöst durch einen bewaffneten Angriff auf das Gebiet eines Mitgliedstaates der Nato in Europa oder Nordamerika, "auf das Gebiet der Türkei", auf die Inseln eines Mitgliedstaates "im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses" oder auf Streitkräfte, Schiffe oder Flugzeuge eines Mitgliedstaates "in oder über diesen Gebieten".
Der Nato-Bündnisfall wurde auch den Anschlägen von 9/11 ausgerufen.
Quelle: dts Nachrichtenagentur