Auswärtiges Amt besorgt über Urteil gegen Journalisten in Türkei
Archivmeldung vom 07.05.2016
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDas Auswärtige Amt hat sich besorgt über die Verurteilung von zwei regierungskritischen Journalisten in der Türkei zu mehrjährigen Haftstrafen gezeigt. "Das Verfahren gegen die beiden Journalisten ist ein Lackmustest für die Unabhängigkeit der Justiz und die Presse- und Meinungsfreiheit", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts am Samstag.
"Die Bundesregierung hat sich immer mit Nachdruck für Rechtsstaatlichkeit und Presse- und Meinungsfreiheit eingesetzt. Wir werden die weitere Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit verfolgen", betonte sie. "Es ist bedauerlich, dass die Beobachtung des Prozesses nach dem ersten Prozesstag nicht mehr möglich war." Ein Gericht in Istanbul hatte den Chefredakteur und den Hauptstadtbüroleiter der Zeitung "Cumhuriyet" der Veröffentlichung geheimer Dokumente für schuldig befunden.
EU-Abgeordnete warnen nach Erdogan-Rede vor voreiligen Schlüssen
Führende Politiker der beiden großen Fraktionen im Europäischen Parlament raten nach den jüngsten Aussagen von Präsident Erdogan von voreiligen Schlüssen ab. Erdogan hatte am Freitag zu verstehen gegeben, dass sein Land die Anti-Terror-Gesetze nicht ändern werde - was von Brüssel verlangt wird, damit Türken ohne Visum in die EU reisen dürfen: "Wir dürfen jetzt nicht zu dick die Backen aufblasen, abgerechnet wird in solchen Verhandlungen immer erst am Ende", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Sozialdemokraten im EU-Parlament, der SPD-Politiker Knut Fleckenstein, der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (F.A.S.).
Der CDU-Abgeordnete Elmar Brok - er leitet den Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten - sagte der Zeitung, in der Türkei sei gerade ein Machtkampf entschieden worden. "Deswegen sollten wir ein paar Tage abwarten und dann in Ruhe die Konsequenzen mit der Türkei bereden. Jedenfalls sollten wir die zu kritisierenden Worte Erdogans noch nicht als endgültig betrachten."
Brok und Fleckenstein bekräftigten im Gespräch mit der F.A.S. zugleich, dass es "keinen Flüchtlingsrabatt" für Ankara geben könne, allerdings mit unterschiedlichen Nuancen. Brok sagte, man müsse sich nun "im Detail ansehen, welche Konsequenzen die Anti-Terror-Gesetze für das Visa-Abkommen haben".
Er machte deutlich, dass die von Erdogan betriebene Machtverschiebung vom Ministerpräsidenten zum Präsidenten eine innere Angelegenheit der Türkei sei. "Wenn Erdogan ein Präsidialsystem durchsetzt, können wir das zwar kritisieren. Aber es darf für uns kein Grund sein, das Flüchtlingsabkommen infrage zu stellen. Wir machen schließlich auch Geschäfte mit China, obwohl uns das chinesische System nicht gefällt", so Brok.
Dagegen hob der SPD-Politiker Fleckenstein hervor, dass die innere Verfasstheit der Türkei nicht ausgeblendet werden dürfe, weil sie Folgen für Europa habe. "Wenn die Türkei ihre Anti-Terror-Gesetze nicht ändert, wenn Journalisten weiter verhaftet und kurdische Abgeordnete ihrer Immunität beraubt werden, dann werden wir Sozialdemokraten im Europäischen Parlament einer Visa-Liberalisierung nicht zustimmen können", sagte er der F.A.S. "Denn wir dürfen nicht sehenden Auges Verhältnisse in der Türkei gutheißen, die womöglich zu Hunderttausenden neuen Flüchtlingen führen."
Quelle: dts Nachrichtenagentur