Die afghanische Parlamentsabgeordnete Shukria Barakzai fordert weniger Einmischung vom Westen
Archivmeldung vom 23.09.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie afghanische Parlamentsabgeordnete Shukria Barakzai hat sich gegen eine Stichwahl zwischen dem amtierenden Präsidenten Hamid Karsai und dessen schärfsten Konkurrenten Abdullah Abdullah ausgesprochen.
Schon im ersten Wahlgang sei die Wahlbeteiligung gering gewesen, bei einem zweiten Wahlgang würde sie noch niedriger ausfallen, sagte Barakzai im Interview mit dem Tagesspiegel. "Der Sieger könnte sich also keinesfalls auf eine höhere Legitimität berufen." Sie verwies darauf, dass Karsai nach den vorläufigen Ergebnissen etwa den gleichen Stimmenanteil erhalten habe, wie bei der letzten Wahl vor fünf Jahren. Und auch damals sei der Herausforderer aus dem Lager der ehemaligen Mudschaheddin abgeschlagen gewesen. "Das entspricht nun einmal den realen Kräfteverhältnissen. Die Manipulationen auf beiden Seiten haben daran nichts ändern können." Vom Westen erwartet Barakzai, dass er sich aus der Diskussion um den Wahlausgang heraushält. Statt auf Personen zu schauen, sollten sich die ausländischen Partner auf die Stärkung der afghanischen Institutionen konzentrieren. "Entscheidend ist doch nicht, wer ein Ministerium führt, sondern wie das Ministerium arbeitet. Erst wenn wir eine effiziente Bürokratie haben, kann sich etwas verändern." Die 37-jährige Vorsitzende der demokratischen Reformpartei "The Third Line" sieht auch eine weitere Aufstockung der ausländischen Truppenkontingente in Afghanistan skeptisch. Die meisten Afghanen, die sich den Aufständischen anschlössen, täten dies aus reiner Existenznot, es sei daher besser, mehr Mittel in den Wiederaufbau zu stecken. "Wenn die ausländischen Truppensteller die Hälfte ihrer Budgets für Entwicklungsvorhaben ausgeben würden, könnten sie viel mehr erreichen als mit immer mehr Soldaten." Das Ansehen der deutschen Soldaten hat ihrer Einschätzung nach nicht unter dem folgenschweren Luftangriff bei Kundus gelitten: "Die Menschen glauben ihnen, dass ihnen der Vorfall nicht gleichgültig ist. Sie sollten sich nun aber auch um die Familien der Opfer kümmern", sagte Barakzai.
Quelle: Der Tagesspiegel