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ROG fordert von China Ausreise der schwer kranken Journalistin Gao Yu nach Deutschland

Archivmeldung vom 04.02.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.02.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Logo - Reporter ohne Grenzen e.V.
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China verweigert der schwer kranken, unter Hausarrest stehenden Deutsche-Welle-Autorin Gao Yu die Ausreise zur medizinischen Behandlung nach Deutschland. Nach ROG-Informationen stellten die Behörden der Journalistin und ihrem Sohn Ende des vergangenen Jahres Reisepässe aus; auch deutsche Visa haben beide bereits erhalten. Kurz vor der geplanten Ausreise Anfang Januar signalisierten die Behörden Gao jedoch, dass zunächst die Führung der Kommunistischen Partei grünes Licht geben müsse.

Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die chinesischen Behörden auf, Gao Yu sofort die Ausreise zu erlauben. Die 71 Jahre alte bekannte Investigativjournalistin leidet unter anderem an chronischen Herzproblemen sowie an einer Erkrankung der Lymphknoten. Obwohl sich ihr Gesundheitszustand in jüngster Zeit erneut verschlechtert hat, erlauben ihr die Behörden nicht einmal eine Behandlung in einem Krankenhaus in Peking, seit ihre Haftstrafe Ende November aufgrund ihres Gesundheitszustands ausgesetzt wurde. Reporter ohne Grenzen steht bereit, um die Journalistin nach ihrer Ankunft in Deutschland bei Bedarf finanziell und auf andere Weise zu unterstützen.

"Dass China einer schwer kranken 71-Jährigen eine angemessene medizinische Behandlung verweigert, ist ein erschreckender Beweis für die Verhärtung des Apparats unter Staats- und Parteichef Xi Jinping", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Offensichtlich kennt das Regime keine Schamgrenze bei der Wahl seiner Mittel zur Unterdrückung kritischer Journalisten." Zugleich betonte Mihr, dass eine medizinische Behandlung nur der erste Schritt im Fall Gao Yu sein kann: "Diese mutige Journalistin ist das Opfer eines Schauprozesses und muss vollständig rehabilitiert werden. Gao Yu hätte niemals verurteilt werden dürfen."

HAFTSTRAFE AUFGRUND EINES MIT DROHUNGEN ERPRESSTEN GESTÄNDNISSES

Gao war im vergangenen April wegen vermeintlichen Verrats von Staatsgeheimnissen zu einer siebenjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden (http://t1p.de/igz9). Im Berufungsverfahren bestätigte ein Pekinger Gericht Ende November den Schuldspruch, reduzierte die Strafe aber auf fünf Jahre und entließ Gao wegen ihrer Gesundheitsprobleme in den Hausarrest (http://t1p.de/xu1n). Damit droht ihr beim kleinsten Anlass jederzeit eine erneute Inhaftierung.

Im Hausarrest wird Gaos Telefon- und Internetkommunikation umfassend überwacht und kontrolliert. An Versammlungen darf sie nur mit Genehmigung der Behörden teilnehmen; so wurde ihr Mitte Januar die Teilnahme an einer Gedenkveranstaltung zum Todestag des 2005 gestorbenen, als Reformer geltenden KP-Führers Zhao Ziyang untersagt, der sich 1989 gegen die Niederschlagung der Demokratiebewegung gewandt hatte.

Gao Yu war im April 2014 kurz vor dem 25. Jahrestag der Niederschlagung der Studentenproteste von 1989 verschwunden. Zwei Wochen später präsentierte der staatliche Fernsehsender CCTV ein Video eines in Polizeigewahrsam entstandenen, offensichtlich mit Drohungen gegen ihren Sohn erzwungenen Geständnisses der bekannten Regimekritikerin. Aufgrund dieser später widerrufenen Aussage wurde sie verurteilt, weil sie sich ein geheimes Dokument der Kommunistischen Partei verschafft und an das Ausland weitergegeben habe.

Gao leidet an Herzproblemen, seit sie während der Niederschlagung der Studentenproteste von 1989 verhaftet wurde. In jüngster Zeit sind ihre Beschwerden jedoch schlimmer geworden. Selbst lange nach ihrer Verurteilung im vergangenen April wurde sie ungeachtet ihres Gesundheitszustands fast täglich verhört und unter Druck gesetzt, ihren Verteidigern das Mandat zu entziehen.

MEHR ALS 100 MEDIENSCHAFFENDE IM GEFÄNGNIS

In keinem anderen Land der Welt sitzen so viele Medienschaffende wegen ihrer journalistischen Arbeit im Gefängnis wie in China, wo sich diese Zahl derzeit auf mehr als 100 beläuft. Viele Fälle belegen die kompromisslose Zensur und Verfolgung von Journalisten gerade unter Staats- und Parteichef Xi Jinping.

Besonders besorgniserregend ist etwa der Fall des Investigativreporters Liu Wei, der seit Anfang Oktober festgehalten wird. Ihm drohen bis zu sieben Jahre Haft, weil er sich auf illegale Weise Zugang zu Staatsgeheimnissen verschafft habe (http://t1p.de/133j). Hintergrund sind Lius Veröffentlichungen zu einem Korruptionsfall, in den KP-Funktionäre, Geschäftsleute und andere Prominente verwickelt sein sollen.

Der uigurische Blogger Ilham Tohti wurde im September 2014 wegen "Separatismus" zu lebenslanger Haft verurteilt (http://t1p.de/a74m). Er hatte sich mit seiner Webseite Uighurbiz.net seit 2005 für den Dialog zwischen der muslimischen Minderheit und den Han-Chinesen eingesetzt.

Ende August 2015 wurde der Wirtschaftsjournalist Wang Xiaolu in seiner Wohnung in Peking festgenommen und bald darauf mit einem Schuldeingeständnis im Staatsfernsehen vorgeführt, weil er falsche Informationen über die Wertpapiermärkte verbreitet und damit einen Kurseinbruch an der Börse von Shanghai ausgelöst habe (http://t1p.de/zuzn).

Im Gefängnis sitzen auch mehrere Bürgerjournalisten der Nachrichtenwebsite 64Tianwang. Wegen ihrer Berichte über Menschenrechtsverletzungen verfolgt das Regime systematisch die Mitarbeiter der Website, die von dem Cyber-Dissidenten Huang Qi betrieben wird. Mehreren von ihnen ist wegen unterschiedlicher Vorwürfe der Prozess gemacht worden (http://t1p.de/9jn1).

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht China auf Platz 176 von 180 Ländern. Weitere Informationen zur Lage der Journalisten in China finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/china/.

Quelle: Reporter ohne Grenzen e.V. (ots)

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