ICT kritisiert beschönigendes Bild der brutalen Realität in Tibet
Archivmeldung vom 18.08.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittErstmals zeigt die Kulturstiftung Ruhr in der Essener Villa Hügel ab dem 19. August Kunstschätze aus tibetischen Klöstern und Museen. "Wir begrüßen es sehr, dass mit dieser Ausstellung die Hochkultur des Himalaya-Landes gewürdigt und einem breiten Publikum vor Augen geführt wird."
Dies betonte Kai
Müller, Geschäftsführer der International Campaign for Tibet
Deutschland e.V. (ICT) anlässlich der Ausstellungseröffnung am 19.
August. "Der Wermutstropfen dabei ist allerdings, dass diese
Ausstellung sich inhaltlich völlig auf den kunsthistorischen Anspruch
zurückzieht." Die politische Geschichte Tibets wie auch die aktuelle
Menschenrechtslage auf dem Dach der Welt werde konsequent
ausgeklammert: Müller zeigte sich besorgt, dass hierdurch "die
Besucher einen falschen Eindruck der Realität Tibets erhalten
könnten, die bis heute durch Menschenrechtsverletzungen und
Religionsunterdrückung gekennzeichnet ist." Leider werde auch
nirgendwo in der Ausstellung darauf hingewiesen, dass ein Großteil
der tibetischen Kunstschätze in den 60er und 70er Jahren von den
chinesischen Invasoren systematisch zerstört worden sei. Damit sei
unwiederbringlich verloren gegangen, was zum Kulturerbe der
Menschheit gehöre. Hinzu komme, so der Geschäftsführer, dass der
chinesische Staatspräsident Hu Jintao die Schirmherrschaft der
Ausstellung übernommen habe. Müller: "Auch hierdurch wird die
Tibet-Ausstellung der Villa Hügel zum Politikum."
Gerade die Tibeter, so ICT, hätten besonders bittere Erinnerungen
an Hu Jintao, der von 1988 bis 1992 Parteisekretär der so genannten
Autonomen Region Tibets gewesen sei und dort "mit eisernem Besen
gekehrt" habe. So ließ er 1989 für 14 Monate das Kriegsrecht über
Tibets Hauptstadt Lhasa ausrufen und Aufstände der Tibeter mit
Waffengewalt niederschlagen. Hunderte von Zivilisten, darunter viele
Mönche und Nonnen, wurden unter menschenunwürdigen Bedingungen
inhaftiert und misshandelt. Bis heute, stellte Müller fest, sei die
politische und menschenrechtliche Lage in Tibet angespannt, werde die
Religions- und kulturelle Freiheit der Tibeter unterdrückt. Unter dem
neuen Parteichef der Autonomen Region Tibets, Zhang Qingli, der den
Dalai Lama im jüngsten "Spiegel"-Interview als Vaterlandsverrräter
bezeichnete, hätten die Repressionen gegen Tibeter massiv zugenommen.
So habe in dieser Woche der wieder gewählte Premierminister der
Regierung Tibets im Exil Prof. Samdong Rinpoche erstmals öffentlich
alle Landsleute in der Heimat aufgerufen, Zurückhaltung zu üben, um
Folter und Inhaftierung zu entgehen.
Quelle: Pressemitteilung International Campaign for Tibet Deutschland e.V.