Dekabank-Chefökonom sieht Euro-Zone noch "viele Jahre" unter Rating-Druck
Archivmeldung vom 07.12.2011
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.12.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNach Einschätzung des Chefvolkswirts der Dekabank, Ulrich Kater, bleibt Europa noch lange Zeit der Gefahr von Rating-Abstufungen ausgesetzt, denn fast alle westlichen Industrieländer hätten die Grenzen ihrer Staatsverschuldung erreicht. Das seien die Signale, die die US-Ratingagentur Standard & Poor`s an die Euro-Länder aussendet, übrigens nicht nur an diese, sondern bereits im Sommer auch an die USA, sagte Kater "Handelsblatt-Online". "Es gibt Hinweise, dass die Politik diese Signale in der jüngsten Vergangenheit immer besser versteht, dass also die Lösung dieser Schuldenkrise darin liegt, Staatsschulden nachhaltiger zu gestalten", ist der Ökonom überzeugt. Doch das gehe nicht von heute auf morgen, sondern benötigt "viele Jahre" Zeit. "In dieser Zeit kann es auch zu weiteren Herabstufungen als nur für die USA kommen", sagte Kater.
Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, sieht mögliche Ratingverluste - auch für Deutschland - gelassen. Er verweist dabei auf Japan und die USA, die ihre Bestnote von AAA bereits verloren haben, ohne, dass dies zu ernsthaften Problemen geführt hätte. "Selbst, wenn S&P Deutschland herabstufte, blieben Bundesanleihe verglichen mit den Staatsanleihen der anderen Euro-Länder erste Wahl - auch wenn die Einrichtung des europäischen Hilfsfonds EFSF die Bonität Deutschlands aus Sicht vieler Anleger etwas verwässert hat", sagte Krämer "Handelsblatt-Online". "Allerdings müsste der europäische Hilfsfonds EFSF seine Statuten ändern, weil bislang die Garantien der AAA-Länder sein Kreditvolumen zugunsten der Peripherieländer beschränken."
Den Vorwurf aus der Politik, wonach S&P Deutschland mit einer Herabstufung gedroht habe, obwohl es ökonomisch gut dastehe, teilt Krämer nicht. Immerhin begründe S&P das Risiko einer Abstufung mit Argumenten, die sich "nicht direkt auf Deutschland" bezögen. "Offensichtlich sieht die Ratingagentur den Euro-Raum bereits als Haftungsunion, obwohl es noch keine gemeinsamen Anleihen aller Euro-Länder gibt", sagte Krämer.
Wenige Tage vor dem EU-Gipfel hatte S&P am Montagabend angekündigt, die Kreditwürdigkeit von 15 der 17 Euroländer zu überprüfen. Damit droht Deutschland und den anderen fünf Eurostaaten mit der Topbewertung AAA der Verlust dieser Einstufung. Frankreich könnte demnach sogar um zwei Stufen abgewertet werden. Als Begründung führte S&P unter anderem die "anhaltende Uneinigkeit" über die Strategie zur Bekämpfung der Schuldenkrise an. Als Folge dieser Ankündigung gab die Agentur am Dienstag zudem bekannt, dass auch der Euro-Rettungsfonds EFSF, für den Länder wie Deutschland und Frankreich maßgeblich garantieren, abgewertet werden könnte.
CDU-Politiker Kauder erwartet Ende der Schuldenkrise und Änderungen der EU-Verträge bis Sommer 2012
Der Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Volker Kauder (CDU), rechnet mit einem Ende der europäischen Schuldenkrise bis zum Sommer 2012, sollten die Vorschläge von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy angenommen werden. "Werden die Pläne umgesetzt, wird Europa seine Probleme in den Griff bekommen", sagte Kauder der "Rheinischen Post". Kurzfristig würden sie zur Beruhigung der Märkte beitragen. Bis zum Sommer 2012 müssten dann der permanente Rettungsschirm ESM sowie die Vertragsänderungen in Kraft treten. "Wenn der ESM schon Mitte 2012 in Kraft tritt, wäre es gut, wenn auch die wesentlichsten Vertragsänderungen auf den Weg gebracht sein würden", sagte Kauder. Bis dahin müssten die Instrumente des Rettungsschirms EFSF "endlich eingesetzt werden". Die EZB werde weiterhin eine Rolle spielen. "Aber auch die Europäische Zentralbank wird sicher weiter zur Stabilisierung des Euro beitragen, wenn sie es für notwendig erachtet", sagte Kauder. Der CDU-Politiker schlug vor, dass die Euro-Gruppe die Haushalte der Nationalstaaten kontrollieren könne. "Wichtig ist, dass eine zentrale Instanz die Konsolidierung in den Staaten überwacht und zwar strikt." Die drohende Herabstufung Deutschlands durch die Ratingagentur S&P sollte man nicht "überbewerten", sagte Kauder.
Politiker von CDU und FDP für europäische Rating-Agentur
In der Koalition werden die Rufe nach einer eigenen europäischen Rating-Agentur immer lauter. In der "Bild-Zeitung" erklärte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs, dass es notwendig sei, 2012 intensiv den "Aufbau einer unabhängigen europäischen Rating-Agentur" voranzutreiben. Als Vorbild nannte Fuchs die Stiftung Warentest in Deutschland. Auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner machte sich in dem Blatt für eine unabhängige Rating-Agentur stark. "Mehr Transparenz und Wettbewerb bei den Agenturen sind nötig", sagte Lindner.
Quelle: dts Nachrichtenagentur