Sorge um Gaslieferungen aus Russland
Archivmeldung vom 24.01.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićIm Russland-Ukraine-Konflikt wächst die Sorge vor Lieferausfällen beim Erdgas. Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS) schreibt, Experten und Politiker fürchteten dies als Folge westlicher Strafmaßnahmen gegen Moskau.
In den Unionsparteien hat deshalb eine Kontroverse über das Für und Wider von Sanktionen begonnen. Manche Experten meinen allerdings auch, Europa könne selbst einen völligen Stopp der russischen Gaslieferungen verkraften. Zu denen, die einen Ausfall für möglich halten, gehört der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD): Der sagte, falls der Westen Sanktionen verhänge, könnten Russlands Gaslieferungen "in Gefahr geraten". Der CDU-Europapolitiker Gunter Krichbaum vermutete, "dass die Preise in diesem Fall steigen würden".
Der Energiemarktexperte Hanns Koenig vom Analysehaus Aurora Energy Research stellte fest, ein "kompletter Lieferstopp" sei zwar nicht "das wahrscheinlichste Szenario", aber das Risiko sei vorhanden. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnte deshalb von harten Sanktionen. Deutschland müsse seine Außenpolitik "auch nach Interessen gestalten", sagte er der FAS. "Ständig neue Drohungen und immer härtere Sanktionen gegen Russland" könnten allein nicht die Lösung sein, weil das "oft uns selbst genauso schaden würde". Als Beispiel für übertriebene Strafen nannte Söder den Ausschluss Russlands aus dem Finanzsystem SWIFT. Auch die Ostseepipeline Nord Stream 2 "geschlossen zu halten oder sogar generell alle Gaslieferungen aus Russland zu stoppen träfe auch unser Land".
Der Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter (CDU) widerspricht: Der FAS sagte er, man müsse zu Strafmaßnahmen bereit sein, auch wenn das Kosten bringe. "Wenn Putin weiß, dass wir Sanktionen nur akzeptieren, wenn sie uns nicht wehtun, dann weiß er auch, dass sie auch ihm nicht wehtun werden". Manche Fachleute glauben allerdings, Europa könne einen Lieferausfall verkraften: "Wenn es nur nach dem weltweiten Angebot ginge, könnten wir russisches Erdgas morgen ersetzen", sagte etwa Andreas Goldthau von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).
"Die Frage ist: Wie viel wollen wir dafür zahlen?" Experten sehen im Fall eines Lieferstopps drei Möglichkeiten: höhere Einfuhren aus anderen Lieferländern via Pipeline, mehr Import von verflüssigtem Erdgas mit Tankschiffen oder einen Griff in die Gasspeicher - die sich allerdings schon bedrohlich geleert haben.
Allerdings gilt es als unmöglich, die Importe aus Russland allein durch zusätzliche Einfuhr aus europäischen Ländern zu ersetzen. "Das wäre ausgeschlossen", sagte Sindre Knutsson vom Marktforschungsunternehmen Rystad Energy in Oslo. Flüssiggas ist nach Expertenmeinung auf dem Weltmarkt zwar hinreichend vorhanden, doch die Terminal-Kapazitäten in Europas Häfen sind begrenzt. Goldthau von der DGAP rechnet vor, an den Terminals gebe es gegenwärtig zwar ungenutzte Kapazitäten für zusätzlich 110 Milliarden Kubikmeter im Jahr, damit ließen sich die russischen Lieferungen von 160 Milliarden im Jahr aber nur zum Teil kompensieren.
Bleiben die Reserven in Europas Gasspeichern: Die sind zwar derzeit nur knapp halb voll, aber Massimo Di Odoardo vom Analysehaus Wood Mackenzie glaubt, Europa könne damit "bis zum Ende des Winters durchhalten". Doch er fügt auch hinzu, die Preise würden dann "himmelhoch steigen".
Auch Klaus-Dieter Maubach, Chef des Energieversorgers Uniper, äußert sich vorsichtig optimistisch: "Stand heute" sei man "gut aufgestellt". In der Koalition denkt man deshalb über neue Regeln nach. "Wir müssen uns überlegen, ob wir wie beim Öl eine strategische Gasreserve schaffen oder Mindestfüllstände für die Gasspeicher gesetzlich festlegen", fordert der SPD-Bundestagsabgeordnete Timon Gremmels. Die Europäische Kommission bereitet sich unterdessen nach FAS-Informationen schon zusammen mit den USA auf Probleme mit dem Gasstrom aus Russland vor. In Brüssel heißt es, man sei gut vorbereitet.
Quelle: dts Nachrichtenagentur