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Verfassungsrechtlerin Frings wirft Bundesregierung Versagen wegen Nichtumsetzung von EU-Aufnahmerichtline vor

Archivmeldung vom 03.11.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.11.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Initiative Echte Soziale Marktwirtschaft (IESM) / pixelio.de
Bild: Initiative Echte Soziale Marktwirtschaft (IESM) / pixelio.de

Die Bundesregierung gerät zunehmend in Kritik, weil sie die so genannte EU-Aufnahmerichtlinie für Flüchtlinge nach wie vor nicht in deutsches Recht umgesetzt hat. Die Verfassungsrechtlerin Prof. Dorothee Frings von der Hochschule Niederrhein (Mönchengladbach) wirft der Regierung gegenüber dem ARD-Politikmagazin "Report Mainz" (heute, 3.11., 21.45 Uhr, im Ersten) Versagen vor: "Man hätte vorher vieles tun können, um überhaupt Konzepte zu entwickeln, die eine geschlechtergerechte Unterbringung und Sicherheit für Frauen in den Einrichtungen schafft. Das ist versäumt worden. Die Unterbringung entspricht derzeit nicht den rechtlichen Vorgaben aus dem europäischen Recht."

Hintergrund ist, dass die Europäische Union bereits im Jahr 2013 in einer Richtlinie die Mitgliedsstaaten verpflichtet hat, "geeignete Maßnahmen" zu treffen, um "geschlechtsbezogene Gewalt, einschließlich sexueller Übergriffe und Belästigung" in Flüchtlingsunterkünften zu verhindern. Deutschland hätte diese Vorgaben bis zum 20. Juli dieses Jahres in nationales Recht umsetzen müssen, doch das wurde versäumt. Gegen Deutschland läuft deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren.

Das zuständige Bundesinnenministerium erklärte auf Anfrage von "Report Mainz", ein Referentenentwurf liege jetzt vor, bedürfe aber "innerhalb der Bundesregierung noch weiterer Abstimmung". Die Vorgaben seien wegen der "hohen Komplexität und Detailtiefe" bisher noch nicht umgesetzt worden. Zudem sei die Herausforderung bei der Unterbringung von Flüchtlingen "nicht in erster Linie eine rechtliche, sondern eine tatsächliche". Dem widerspricht Prof. Dorothee Frings: "Es ist nicht zulässig zu sagen, wir nehmen Flüchtlinge auf über unsere Maße, wir sind die Guten und weil wir die Guten sind, brauchen wir uns ansonsten nicht mehr ums Recht zu scheren. Das kann es nicht sein."

Eine Umfrage von "Report Mainz" unter den Bundesländern ergab, dass sich viele Behörden vor Ort zwar bemühen, Kindern und Frauen Schutz zu gewähren. Sie zeigt aber auch, dass es keine einheitlichen Standards gibt. Die Länder Bremen, Niedersachsen und Brandenburg räumen ein, dass für den Betrieb von Flüchtlingsunterkünften bzw. Erstaufnahmeeinrichtungen keine Gewaltschutzschutzkonzepte verlangt werden. Spezielle Unterkünfte für Frauen sind vielerorts erst in Planung. Sachsen teilt mit: "Im Rahmen der EAE [Erstaufnahmeeinrichtungen] sind derzeit keine gesonderten Unterkünfte vorgesehen." Auch in Sachsen-Anhalt gibt es "keine besonderen Schutzräume".

Unterdessen bestätigte die Staatsanwaltschaft Gießen "Report Mainz", dass sie im Falle eines mutmaßlichen schweren sexuellen Missbrauchs an einem zehnjährigen Mädchen aus Syrien ermittelt. Tatort war demnach eine Zeltunterkunft auf einem ehemaligen amerikanischen Militärgelände in Gießen (Hessen). Dort soll sich Ende April dieses Jahres ein 47-jähriger Flüchtling, ebenfalls aus Syrien, an dem Mädchen vergangen haben. Nach dem Vorfall wurden das Mädchen und sein Vater erneut in eine Massenunterkunft, in die Landeserstaufnahmeeinrichtung in Gießen, gebracht. Das stößt auf Kritik bei örtlichen Flüchtlingsorganisationen. Die Flüchtlingsberaterin Maria Bethke vom Evangelischen Dekanat Gießen sagte im Interview mit "Report Mainz": "Man hat [das Kind] weiterhin der Angst ausgesetzt. Sie hatte nicht die Möglichkeit, rauszukommen aus dieser Angst besetzten Situation, wo sie schutzlos Männern ausgeliefert ist. Diese Flüchtlingsunterkünfte sind in dieser Form kein sicherer Ort für Kinder."

Die zuständige Behörde, das Regierungspräsidium Gießen, teilte auf Nachfrage von "Report Mainz" mit, der Vater habe eine Verlegung außerhalb der Stadt abgelehnt. Das bestreitet der Vater im Interview mit "Report Mainz": "Fünf Tage nach dem Vorfall hat man mir gesagt, Sie können in das andere Camp. Und ich habe ein oder zwei Stunden dafür Zeit. Danach hat eine Woche lange niemand mehr mit mir gesprochen."

Quelle: SWR - Das Erste (ots)

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