Maas: Krise am Tschadsee "eines der größten humanitären Dramen"
Archivmeldung vom 03.09.2018
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Freigeschaltet durch André OttAußenminister Heiko Maas (SPD) beklagt eine humanitäre Katastrophe in der Tschad-Region. In dem Gebiet in Afrika spiele sich "eines der größten humanitären Dramen unserer Zeit" ab, sagte Maas den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montagausgaben) anlässlich einer am Montag beginnenden internationalen Geberkonferenz in Berlin. Er wies darauf hin, die Region zwischen Nigeria, Niger, Tschad und Kamerun sei "zum Tummelplatz für Terror-Gruppen wie Boko Haram und IS geworden, die auch für unsere Sicherheit in Europa eine Bedrohung sind".
Angesichts dessen könne man es sich "nicht erlauben, wegzuschauen, wenn die Nachbarn unserer Nachbarn destabilisiert werden." Der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe, Christos Stylianides, nannte die dortige Flüchtlingskrise ebenfalls eine "der schwersten auf dem afrikanischen Kontinent". "Ich bin sehr besorgt über die humanitäre Lage in der Region des Tschadsees", sagte Stylianides den Funke-Zeitungen. Mehr als 2,4 Millionen Menschen sind nach Angaben der EU-Kommission in der Region aufgrund von Terrorismus, Armut und Klimawandel vertrieben, die Hälfte davon Kinder. Zugleich hob Stylianides hervor, dass die EU anlässlich der zweitägigen Konferenz im Auswärtigen Amt in Berlin mit weiteren insgesamt 232 Millionen Euro helfen wolle, um die Notlage in der Region zu lindern. 88,9 Millionen Euro davon seien für "humanitäre Projekte" und 143 Millionen Euro "für mehr Stabilität und nachhaltige Entwicklung", sagte Stylianides.
Ungefähr 3,6 Million Menschen in der Tschadsee-Region bräuchten Nahrungsmittelnothilfe, so Stylianides. Mehr als 500.000 Kinder seien auf Hilfe angewiesen, "um schlicht zu überleben". Die Bundesregierung ist am Montag und Dienstag Gastgeber für eine Konferenz zur humanitären Notlage in der Tschadsee-Region. Neben Vertretern der Anrainerstaaten Tschad, Niger, Nigeria und Kamerun werden auch Vertreter von regionalen und UN-Organisationen erwartet. Laut einem bisher unveröffentlichten Bericht der Kinderhilfsorganisation Plan International, der den Funke-Zeitungen vorliegt, gab in der Region am Tschadsee jedes fünfte befragte Mädchen zwischen zehn und 19 Jahren an, im vergangenen Monat geschlagen worden zu sein.
Nahezu alle jungen Frauen berichten demnach, keinerlei Einfluss auf ihr Leben zu haben. "Angst vor Überfällen und Entführungen durch Aufständische, sexueller und physischer Gewalt in den Straßen, aber auch im häuslichen Umfeld bestimmen ihren Alltag", schreibt Plan International. Hinzu komme die Angst, keinen Zugang zu Bildung an Schulen zu bekommen. Viele Mädchen würden die Schule abbrechen, weil sie "verheiratet, schwanger oder vergewaltigt werden". Dies berichtet demnach ein 18 Jahre altes Mädchen aus Kamerun in dem Report "Heranwachsende Mädchen in der Krise: Stimmen aus der Tschadsee-Region". Die Kinderhilfsorganisation hat für den Bericht mehrere Hundert junge Mädchen in Nigeria, Niger und Kamerun befragt.
Quelle: dts Nachrichtenagentur