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Gespaltene Stimmung vor Europawahl: Jeder Zweite sieht Europa auf dem falschen Weg

Archivmeldung vom 14.05.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.05.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
EUDSSR: Der Unterschied zwischen der UDSSR und der EU (Symbolbild)
EUDSSR: Der Unterschied zwischen der UDSSR und der EU (Symbolbild)

Bild: Mus Lim (Talk | contribs) /COO / Eigenes Werk

Jeder zweite Europäer (48%) glaubt, dass sich die Dinge in der EU in die falsche Richtung bewegen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Online-Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Ipsos, die anlässlich der bevorstehenden Europawahl in 28 Ländern weltweit durchgeführt wurde - darunter die neun EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien, Belgien, Schweden, Polen und Ungarn.

Am pessimistischsten sind derzeit die italienischen Befragten (57%) eingestellt, gefolgt von den Franzosen (54%) und Briten (52%). Im Gegenzug ist nicht einmal jeder dritte EU-Bürger dieser neun Länder (28%) der Überzeugung, dass sich die Europäische Union grundsätzlich auf dem richtigen Weg befindet.

EU gewinnt an Zustimmung - außer in Deutschland

Obwohl also viele Bürger ihren Unmut über die Entwicklungen in Brüssel äußern, stellt dieses Ergebnis doch eine leichte Verbesserung im Vergleich zu früheren Erhebungen dar: Vor zwei Jahren glaubten noch sechs von zehn europäischen Befragten (57%), dass sich die Dinge in der EU verschlechtern; nur jeder Fünfte (21%) vertrat damals die gegenteilige Meinung. Die einzige Ausnahme von diesem Trend bildet dabei Deutschland: Hierzulande betrachtet beinahe jeder Zweite (48%) die Entwicklungen in Europa kritisch, 2017 lag dieser Wert noch bei 45 Prozent.

Viele Bürger fühlen sich durch die EU nicht vertreten

Die Ursache für die weit verbreitete EU-Skepsis wurzelt laut der Ipsos Studie nicht zuletzt in einem tiefen Misstrauen zwischen den Regierenden und den Regierten. Fast jeder zweite befragte Europäer (45%) ist der Ansicht, dass die Regeln und Bestimmungen der Europäischen Union manipuliert sind, um die Reichen und Mächtigen zu begünstigen. Eine knappe Mehrheit (52%) glaubt außerdem, dass sich Europas führende Politiker nicht um die alltäglichen Belange der Menschen kümmern. Innerhalb der EU stimmen Belgier (57%) und Franzosen (56%) dieser Aussage am ehesten zu, deutsche (48%) und polnische Staatsbürger (47%) zeigen sich diesbezüglich etwas weniger skeptisch.

Weit verbreitete Unkenntnis über die Vorteile der EU

Die Studienergebnisse legen außerdem nahe, dass eine Vielzahl der Europäer in den neun Befragungsländern gar keine Kenntnis darüber hat, welche (potentiellen) Vorteile eine EU-Mitgliedschaft mit sich bringt. Nur vier von zehn Befragten (42%) geben an, dass sie ziemlich oder sogar sehr viel über die positiven Aspekte der EU wissen - obgleich die Sachkenntnis über die (potentiellen) Nachteile noch geringer ist (36%). Die Briten fühlen sich insgesamt am ehesten über die Vor- und Nachteile der EU-Mitgliedschaft informiert, am wenigsten die Franzosen und Spanier.

Europäisches Projekt wird trotzdem als Erfolgsgeschichte wahrgenommen

Trotz aller Kritik am gegenwärtigen Zustand der EU wird das Projekt Europa insgesamt gesehen doch als Erfolgsgeschichte wahrgenommen. In allen befragten Ländern glauben die Menschen, dass das europäische Projekt in den letzten 60 Jahren mehr Erfolge als Misserfolge verzeichnet hat. In Polen (43%) und Ungarn (40%) stimmen dem besonders viele Bürger zu, in Deutschland immerhin noch drei von zehn Personen (30%). Belgier (19%), Italiener (18%) und Franzosen (17%) sehen Europa hingegen weitaus seltener als Erfolgsgeschichte.

Briten entdecken ihre Liebe zu Europa

Auch in Bezug auf die Auswirkungen des europäischen Projekts auf ihre eigenen Länder sind die meisten Europäer eher positiv als negativ gestimmt - allerdings zeigen sich hier massive Diskrepanzen zwischen den verschiedenen befragten EU-Staaten. Europaweit sind vier von zehn Personen (41%) der Überzeugung, dass das eigene Land heute stärker ist, als es ohne die Union wäre. In Polen stimmen dem besonders viele Befragte (62%) zu, in Italien (28%) und Frankreich (25%) besonders wenige. Für eine Überraschung sorgen die Zustimmungswerte in Großbritannien: Fast jeder zweite Brite (42%) vertritt die Ansicht, dass das Vereinigte Königreich dank der EU heute besser dasteht; nicht einmal jeder Dritte (27%) ist gegenteiliger Auffassung. Im Vergleich zu 2017 bedeutet dies ein Plus von immerhin 15 Prozentpunkten.

Ja zu Reise- und Handelsfreiheit, Nein zur Migrationspolitik

Besonders positiv wird der Beitrag der Europäischen Union im Bereich der Reisefreiheit und des freien Warenverkehrs zwischen den EU-Mitgliedsstaaten bewertet. Fast drei Viertel (73%) aller Europäer sagen, dass die EU die Reisemöglichkeiten innerhalb Europas erleichtert hat. Zwei von drei Befragten (66%) vertreten die Meinung, dass sich das europäische Projekt positiv auf den Handel ausgewirkt hat. Eine deutliche Mehrheit (59%) stimmt außerdem der Aussage zu, dass dank der EU friedlichere Beziehungen zwischen den europäischen Nationen erreicht werden konnten. Vor allem in Polen (71%) und Deutschland (63%) wird der Beitrag der EU zur Friedensförderung besonders häufig genannt.

Deutlich negativer bewerten die Menschen die europäische Migrationspolitik. Nicht einmal jeder vierte EU-Bürger (23%) vertritt die Ansicht, dass die Union in diesem Bereich einen positiven Beitrag geleistet hat. In Frankreich (12% Zustimmung, 43% Ablehnung) und Italien (16% Zustimmung, 44% Ablehnung) ist die Kritik an der Einwanderungspolitik der EU besonders stark ausgeprägt. Auch in Deutschland stehen die Bürger den Auswirkungen des europäischen Projekts auf das Ausmaß der Einwanderung mehrheitlich skeptisch gegenüber. Drei von zehn Bundesbürgern (28%) bewerten diesen Aspekt positiv, mehr als jeder Dritte (35%) eher negativ.

Dr. Robert Grimm, Leiter der Ipsos Sozial- und Politikforschung, zu den Studienergebnissen: »Die Europäische Union hat weiterhin ein großes Legitimationsproblem: Eine Vielzahl von Bürgern fühlt sich von der EU nicht vertreten und ist der Ansicht, dass Europas führende Politiker schlichtweg kein Interesse an den alltäglichen Belangen der Menschen haben. Es ist deshalb wenig überraschend, dass viele Bürger Europa gegenwärtig auf dem falschen Weg sehen. Aber, und darin liegt für mich die eigentliche Erkenntnis der Studie, ein Großteil der Menschen ist auch der Meinung, dass die positiven Errungenschaften der EU die negativen aufwiegen. Laut der Ipsos Daten soll die Europäische Union auch in Zukunft ein wichtiger Akteur im Kampf gegen Armut, Terrorismus und organisierter Kriminalität und für ökologische Nachhaltigkeit sein. Kurz, die Europäer sehnen sich nach Reformen und Bürgernähe ohne die EU dabei abschaffen zu wollen.«

Methode:

Die Ergebnisse stammen aus der Global Advisor-Studie »The European Project: 2019 European Elections«, die zwischen dem 22. März und 05. April 2019 in 28 Ländern durchgeführt wurde. Bei der Online-Befragung wurden insgesamt 19.531 Personen im Alter von 18 bis 74 Jahren in China, Israel, Kanada, Malaysia, Südafrika, den USA und der Türkei interviewt. In Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Chile, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Italien, Japan, Mexiko, Peru, Polen, Russland, Saudi-Arabien, Serbien, Südkorea, Spanien, Schweden, und Ungarn waren die Befragten 16-74 Jahre alt.

Etwa 1000 Personen wurden in Australien, Brasilien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, Spanien, Great Britain, und den USA durchgeführt. Etwa 500 Personen befragten wir in Argentinien, Belgien, Chile, Indien, Kolumbien, Mexico, Malaysia, Niederlande, Peru, Polen, Russland, Serbien, Südafrika, Südkorea, Schweden, Ungarn und der Türkei.

Es wurde eine Gewichtung der Daten vorgenommen, um die demografischen Merkmale auszugleichen und damit sicherzustellen, dass die Stichprobe die aktuellen offiziellen Strukturdaten der erwachsenen Bevölkerung eines jeden Landes widerspiegelt. In 17 der 28 untersuchten Ländern ist die Internetdichte groß genug, um die Stichproben als repräsentativ für die nationale Bevölkerung anzusehen.

Brasilien, Chile, Kolumbien, Indien, Malaysia, Mexiko, Peru, Russland, Serbien, Südafrika und die Türkei haben eine niedrigere Internetdichte; diese Stichproben sollten nicht als bevölkerungsrepräsentativ angesehen werden. Sie repräsentieren stattdessen den wohlhabenderen Teil der Bevölkerung, die aufstrebende Mittelklasse. Diese stellt allerdings eine wesentliche soziale Gruppe dar, wenn es darum geht, diese Länder verstehen zu lernen.

Wenn die Ergebnisse sich nicht auf 100 aufsummieren, liegt das an Rundungen durch die computerbasierte Zählung, erlaubte Mehrfachnennungen oder dem Ausschluss von "weiß nicht/keine Angabe" Nennungen.

Quelle: Ipsos GmbH (ots)

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