Lothar de Maizière kritisiert Russland-Politik von Gauck und Merkel
Archivmeldung vom 02.12.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer deutsche Vorsitzende des "Petersburger Dialogs", Lothar de Maizière, hat die Russland-Politik von Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) scharf kritisiert. In einem Interview mit der "Welt" sagte de Maizière über Gauck: "Öffentliche Kritik von Staatsorganen ist eher kontraproduktiv." Im Falle des Bundespräsidenten habe er den Eindruck, dass der aufgrund seiner Familiengeschichte ein distanziertes Verhältnis zu Russland habe. "Ich halte es für diplomatisch nicht sonderlich klug, dass Joachim Gauck trotz einer Einladung bisher keine Bemühungen unternommen hat, Russland zu besuchen."
Bei der Eröffnung einer Ausstellung zur deutsch-russischen Geschichte in Moskau hat Gauck sich von einer Staatsministerin vertreten lassen: "So etwas wird in Moskau natürlich sorgfältig registriert." De Maizière, der 1990 letzter Ministerpräsident der DDR war, vermisst auch bei Bundeskanzlerin Merkel den Respekt vor Russland. Zwar sei es richtig, Meinungsverschiedenheiten nicht unter den Teppich zu kehren. "Aber wenn man die Passiva aufzählt, muss man auch die Aktiva sehen. Es sind 6.000 deutsche Unternehmen in Russland tätig. Unsere Energiesicherheit hängt am russischen Gas und Moskau hat bislang alle seine Lieferverträge zuverlässig erfüllt."
Auf dem "Petersburger Dialog", der am Mittwoch in Kassel beginnt, würden alle Probleme der Rechtsstaatlichkeit oder der Korruptionsbekämpfung angesprochen, sagte de Maizière, "nur eben in der richtigen Tonlage und mit dem Respekt vor der anderen Kultur". De Maizière forderte von der Bundesregierung zudem eine Lösung der Visumsproblematik. Auch hier kritisierte er Merkel. "Die Kanzlerin hat mal gesagt: Wir wollen nicht, dass alle zwielichtigen Gestalten aus Russland einreisen können. Da kann ich nur sagen: Die sind schon da, die brauchen kein Visum. Wen wir mit unseren Restriktionen treffen, das sind die vernünftigen Leute."
Unverständnis zeigte de Maizière auch über den Koalitionsvertrag, in dem sich Union und SPD für eine "Weiterentwicklung des Petersburger Dialogs" aussprechen. Das Gesprächsforum sei ein gemeinnütziger Verein, der allein über eventuelle Änderungen seiner Arbeit entscheide, sagte de Maizière. "Wir regen uns auf, wenn die russische Regierung in die Arbeit von NGOs hineinregiert - und machen das dann hier auch. Mit uns hat über diese Passage niemand gesprochen. Das ist nicht hinzunehmen."
Schließlich zeigte sich de Maizière unzufrieden mit der Haltung der EU gegenüber der Ukraine. "Frühere Sowjetrepubliken wie die Ukraine sind selbstständige souveräne Staaten geworden. Sie müssen selbst entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen. Dabei darf es keinen Druck von keiner Seite geben. Weder von der EU noch von Moskau", sagte de Maizière. Die EU sollte dennoch die besonderen Interessen Russlands nicht völlig außer Acht lassen. "Die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen der Ukraine und Russland sind noch wie vor sehr eng. Alle Kontakte zu Russland nach einem Assoziierungsabkommen abzubrechen, wie es die EU mehr oder weniger verlangt, würde sowohl die Ukraine wie Russland überfordern."
Quelle: dts Nachrichtenagentur