Linke unterstützt Merkels Zurückhaltung gegenüber Polen
Archivmeldung vom 26.07.2017
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Freigeschaltet durch André OttDie Linke hat die Zurückhaltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angesichts der umstrittenen polnischen Justizreform als "sinnvoll" bezeichnet. "Die deutsche Regierung spielt auf Zeit", sagte der Vorsitzende der deutsch-polnischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Thomas Nord (Linke), der "Welt".
Eine stabile Lösung sei nicht zu erreichen, wenn sie nicht von selbst in dem Land entstehe. Da könne man nichts herbeifordern. "Die Reaktion Dudas ist eine Bestätigung, dass in dem Fall die Strategie der Nicht-Einmischung auch funktioniert hat."
Polens Präsident Andrzej Duda hatte am Montag sein Veto gegen Teile der Reform eingelegt. Nord ist überzeugt, dass die deutsche Seite noch bis zur Wahl 2019 in Polen versuchen werde, sich zurückzuhalten.
"Das ist auch sinnvoll." Auch der Präsident der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder, Alexander Wöll, verteidigte das Schweigen Merkels. "Die Situation ist total unbefriedigend. Allerdings würde auch ich der Kanzlerin raten, weiterhin auf Klartext zu verzichten. Klartext aus Deutschland hilft in Polen immer jenen, die man gerade nicht unterstützen will", sagte Wöll. Mit Blick auf den Vorsitzenden der Regierungspartei PiS sagte er: "Das stärkt in jedem Fall die Position Jaroslaw Kaczynskis." Der Einzige, der seine Stimme erheben könnte, ohne massive Abwehrreflexe hervorzurufen, sei der US-Präsident.
"Polen fühlt sich den USA engstens verbunden. Deshalb ist der Einfluss von Donald Trump derzeit auch fatal. Er hat die konservative Regierung eher bestärkt, die umstrittenen Reformen durchzuführen." Schonungslos bewertet hingegen der Vorsitzende des Europaausschusses, Gunther Krichbaum (CDU), die Lage im Land: "Polen erfüllt die ursprünglichen Beitrittskriterien zur EU heute nicht mehr".
Diese Tatsache zu benennen sei wichtig, um nicht Ländern wie Serbien oder Montenegro, die sich um Aufnahme in die EU bemühen und die Rechtsstaatskriterien vorbehaltlos erfüllen müssen, falsche Signale zu senden. Das sei seine Meinung als frei gewählter Abgeordneter des Bundestags. "Die Bundesregierung hält sich hier stärker zurück, da es die Aufgabe von Brüssel ist, die Einhaltung der Verträge zu überwachen." Die Berliner Politik des kühlen Kopfs hält Krichbaum derzeit für "ohne Alternative".
Quelle: dts Nachrichtenagentur