Tschad: Neuer Krisenherd im Osten des Landes
Archivmeldung vom 08.06.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.06.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWährend sich die öffentliche Aufmerksamkeit derzeit auf die Lage in der sudanesischen Region Darfur sowie die Diskussion um humanitäre Korridore konzentriert, verschärft sich die humanitäre Situation für rund 150.000 Vertriebene im Osten des Nachbarlandes Tschad.
Dies bestätigt eine Untersuchung
der internationalen Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. Die
Unterstützung für die Betroffenen ist noch immer völlig unzureichend,
und die Mitarbeiter der Organisation stoßen bei der Ausweitung der
Hilfe auf zahlreiche Schwierigkeiten.
Im Osten des Tschads kam es in den vergangenen 18 Monaten
wiederholt zu tödlichen Angriffen auf Dörfer, was zur Flucht von
Zehntausenden Menschen führte. Sie leben in notdürftigen Unterkünften
in Vertriebenenlagern, in denen es an Nahrung, Wasser und
medizinischer Behandlung fehlt. Zudem ist die Sicherheit in den
Lagern nicht garantiert.
Epicentre, das epidemiologische Forschungsinstitut von Ärzte ohne
Grenzen, hat Ende Mai in den Vertriebenenlagern nahe der Stadt Goz
Beida eine Untersuchung durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass
jeweils eines von fünf Kindern an akuter Unterernährung litt und dass
die Sterblichkeitsrate zwischen dem 30. März und dem 20. Mai
katastrophal hoch war.
Bis vor Kurzem konzentrierte sich die Hilfe vieler Organisationen
im Tschad hauptsächlich auf die Flüchtlinge aus Darfur. Im April 2007
erstellte das Büro der Vereinten Nationen zur Koordination
humanitärer Angelegenheiten (OCHA) schließlich einen auf drei Monate
ausgelegten Notfallplan. Laut Ärzte ohne Grenzen sind dessen
Zielvorgaben bezüglich Nahrung, Wasser und Unterkünften jedoch völlig
unzureichend. "In Goz Beida bekommen die Vertriebenen drei bis acht
Liter Wasser pro Person und Tag, während es 20 Liter sein sollten",
so Franck Joncret, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen im
Tschad. "Lediglich Hundert der unterernährten Kinder werden
behandelt, wobei unsere Studie ergab, dass mindestens 2.000 Kinder an
akuter Unterernährung leiden. Dies ist inakzeptabel."
Ärzte ohne Grenzen arbeitet in Dogdoré, Goz Beida, Adé, Koukou und
Kerfi und weitet seine Aktivitäten aus. An einigen Orten steht die
Organisation dabei jedoch vor erheblichen Schwierigkeiten. So wird
den Mitarbeitern trotz mehrfacher Anfragen noch immer die Erlaubnis
verweigert, eine Kinderklinik in Goz Beida zu eröffnen, in der
unterernährte Kinder behandelt werden sollen.
Während der Regenzeit, die Ende Juni beginnt, wird eine weitere
Zunahme der Unterernährung befürchtet. Zudem wird die Zahl der Fälle
von Malaria und Durchfallerkrankungen steigen. Deshalb muss jetzt
dringend reagiert werden, um eine vorhersehbare Verschlechterung der
Lage zu verhindern. "Es ist unerlässlich, dass das Ausmaß der Krise
im Osten des Tschads erkannt wird und Hilfsorganisationen den
Vertriebenen sofortige, umfangreiche Hilfe zukommen lassen", sagte
Isabella Defourny, Programmleiterin von Ärzte ohne Grenzen für den
Tschad. "Darüber hinaus muss die tschadische Regierung humanitäre
Hilfe erleichtern."
Quelle: Pressemitteilung Ärzte ohne Grenzen