Pfahls zu "falschem Geständnis" gedrängt
Archivmeldung vom 07.11.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Rolle der Justiz im Prozess gegen den früheren Staatssekretär Holger Pfahls gerät immer mehr ins Zwielicht. In einem fünfseitigen Brief vom 21. Mai 2005 an seine Töchter wirft Pfahls der Augsburger Justiz vor, ihn zu einem falschen Geständnis gedrängt zu haben:
"Ich soll gezwungen werden, vermutlich auf Irrtum beruhende Angaben Schreibers in seinem Kalender zu bestätigen, damit die Sache in den Augen von Gericht und Anklägern 'rund' erscheint". Pfahls hat
das bislang unter Verschluss gehaltene Schreiben, das dem ARD-
Magazin "Report München" exklusiv vorliegt, während seiner
Untersuchungshaft in Augsburg verfasst und an seine Töchter Heike und
Silke adressiert. In dem handgeschriebenen Brief geht Pfahls auch auf
Distanz zu seinem Mainzer Anwalt Volker Hoffmann: "Ich bin sicher,
dass mich Hoffmann drängen wird, etwas Angepasstes zu sagen, um des
Lieben Friedens willen und weil er auch ökonomisch denkt". Pfahls
hatte den Vorhalten von Gericht und Staatsanwaltschaft nachgegeben.
Er gestand, von dem Rüstungslobbyisten Karlheinz Schreiber für seinen
Einsatz bei einem U-Boot-Deal sowie Panzer-Geschäften der Firma
Thyssen mit den USA und Saudi-Arabien 873000 Mark bar erhalten, sowie
Zugriff auf dessen Geheimkonto "Holgart" in der Schweiz mit 3,8
Millionen Mark gehabt zu haben. Es habe sich, so Pfahls, um ein
"praktisch gelebtes" Treuhandverhältnis gehandelt. Einen Beweis dafür
gab es außer dem Geständnis nicht. Offensichtlich hatte Pfahls Mühe,
die ihm aufgezwungene Rolle vor Gericht durchzuhalten: "Eigentlich
ist es für die rechtliche Bewertung völlig gleichgültig, was ich
sage, aber ein falsches Geständnis wurmt mich. Das ist so, als ob ich
wunschgemäß alle Kleider abgelegt hätte und nun noch verlangt wird,
das Toupet abzulegen - es ist aber mein eigenes Haar". Im August 2005
war Pfahls zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt, aber
bereits drei Wochen nach Urteilsverkündung auf Beschluss des Gerichts
freigelassen worden - wie es ihm zuvor zugesichert war. Die
Augsburger Justiz benötigte das Geständnis von Pfahls als wichtige
Stütze für die Berufungsverhandlung gegen die Ex-Thyssen- Manager
Winfried Haastert und Jürgen Maßmann. "Dieses Geständnis ist
auchvon Bedeutung, da es in noch laufenden oder bevorstehenden
Verfahren gegen andere Angeklagte aus diesem Gesamtkomplex ein
wichtigesBeweismittel ist", heißt es im Pfahls-Urteil. Auch
die Thyssen-Leute sollen mittels eines Treuhandverhältnisses über
zwei Schweizer Konten von Schreiber Schmiergelder aus dem Fuchs-
Panzergeschäft mit Saudi-Arabien bekommen haben. Das wird von den
Angeklagten allerdings bestritten. Nun soll Pfahls gegen sie
aufgeboten werden. Die Staatsanwaltschaft hat ihn für den kommenden
Mittwoch als Belastungszeugen vorladen lassen. Pfahls selbst hat
dafür gesorgt, dass sein Geständnis unglaubwürdig erscheint. Schon in
seinem "Memorandum", das er nach seiner Festnahme in Frankreich im
Juli 2004 verfasst hat, widerlegt der 62- jährige die von der
Staatsanwaltschaft behaupteten Bargeldzahlungen von Schreiber und
stellt klar fest: "Schreiber hat über 23 Millionen erhalten. Ich habe
kein Geld erhalten". Auch die Erklärung für ein "falsches Geständnis"
lieferte Pfahls. Nach Informationen von "Report München" soll er
gegenüber Freunden erklärt haben, ihm hätten vier Jahre Gefängnis
gedroht, falls er sich dem Druck des Gerichts nicht gebeugt hätte.
Das passt zu seinen Vorwürfen gegen die Augsburger Justiz in dem
Brief an seine Töchter. Für Pfahls hatte sein Zugeständnis an die
Justiz aber auch Vorteile: Nach seinem Prozess war er ein freier
Mann. Außerdem hatte das Gericht von der Aufklärung seiner
fünfjährigen Flucht, seiner Verwicklung in den Elf-Leuna Skandal,
sowie der Feststellung seiner wahren Finanziers abgesehen.
Quelle: Pressemitteilung "Report München"