Voestalpine-Chef sieht in Trumps Handelspolitik Chance für Europa
Archivmeldung vom 19.09.2017
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVoestalpine-Chef Wolfgang Eder sieht in der protektionistischen Industrie- und Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump auch eine Chance für Europa: "Ich bin ein überzeugter Verfechter des freien Handels und tue mich daher sehr schwer, seine Entscheidungen nachzuvollziehen. Seine Art hat aber vielleicht insofern etwas Positives, als sie hoffentlich auch die Politik in Europa dazu bringt, Positionen zu überdenken und nachzuschärfen", sagte der langjährige Präsident des Weltstahlverbandes der "Welt". Dabei gehört Voestalpine selbst zu den Leidtragenden der neuen US-Politik.
Wie auch den deutschen Herstellern Salzgitter und Dillinger Hütte wird den Österreichern Dumping vorgeworfen. Voestalpine muss daher Strafzölle zahlen, wenn das Unternehmen Grobbleche in die USA liefert. "Auch wenn es für uns ein sehr überschaubarer Betrag ist, verstehe ich es immer noch nicht", sagte Eder und nannte die Definition der USA von Dumping "beliebig".
Die Interpretation der Fakten auf US-Seite zeichne sich durch hohe Flexibilität aus. "Wir merken allerdings, dass auf den nachgelagerten Ebenen der US-Administration vielfach das Bewusstsein durchaus vorhanden ist, dass die USA mit ihrer aktuellen Politik Gefahr laufen, sich selbst zu schaden", sagte Eder. Es gebe keine Alternative zur Globalisierung. "Ansonsten fallen wir zurück ins Mittelalter."
Am Ende werde sich herausstellen, dass Provokation, Eskalation und Handelshemmnisse auf Dauer allen Beteiligten nur schaden. Trotzdem forderte Eder die Einführung von Schutzzöllen auch in Europa - "weil die EU unter dem gemeinschaftlichen Druck der restlichen Welt einfach reagieren muss." Grundsätzlich hält er Schutzzölle aber für kein geeignetes Mittel im Umgang miteinander. "So lange die globale Umgebung aber so aggressiv ist, bleibt uns auch keine andere Wahl, zumindest temporär. Denn wenn Europa als einzige Region die Freihandels-Fahne hochhält, werden wir zum Abfallmarkt der Welt", erklärte Eder, der sich eine "Allianz der Vernünftigen" aus Politik und Industrie wünscht.
Derzeit allerdings liegen Stahlhersteller und Politik im Clinch, insbesondere wegen geplanter Neureglungen in der Umwelt- und Klimapolitik, beispielsweise der bevorstehenden Reform des Emissionsrechtehandels in Europa. Die nämlich sieht nach Einschätzung von Wissenschaftlern Grenzwerte vor, die technologisch für die Mehrheit der Betriebe nicht zu erreichen sind. "Europa riskiert damit seine industrielle Basis", sagte Eder.
Stahl sei der mit Abstand wichtigste Werkstoff, ohne den auch bei der Energiewende nichts gehe. "Ich wünsche mir daher, dass die Politik Rahmenbedingungen schafft, die der schleichenden Deindustrialisierung der letzten Jahre vor allem in Deutschland und Österreich entgegenwirkt und die globale Wettbewerbsfähigkeit garantiert." Es gibt für Eder aber auch hausgemachte Probleme in der Stahlindustrie. Daher geht der Manager auch mit seinen Kollegen hart ins Gericht.
"Wir erleben derzeit eine gefährliche Form von Selbstzufriedenheit", kritisierte er. Das spreche nicht gerade für die Lernfähigkeit der Branche. "Kaum haben Nachfrage und Preise wieder etwas angezogen, verstärkt sich die Tendenz, bei den Kapazitäten aus Beschäftigungsgründen in die Vollen zu gehen. Das aber ist die Wurzel der nächsten Krise." Offenbar gelte für viele wieder die alte Gleichung in der Stahlwelt: Wer die meisten Tonnen hat, ist am besten aufgestellt. "Das ist Macho-Denken aus einer anderen Zeit", kritisierte Eder. "Wir brauchen nicht Millionen Tonnen in den Büchern, sondern Millionen Euro - und das auf der richtigen Seite."
Quelle: dts Nachrichtenagentur