"Experten" mit unzureichendem Sachverstand
Archivmeldung vom 10.01.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.01.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNoch während der Bergung der Opfer des tragischen Einsturzes der Eissporthalle in Bad Reichenhall haben sich verschiedenste Baufachleute über mutmaßliche Ursachen des Unglücks geäußert. In den Medien wurden dabei von bislang im Holzbausektor nicht bekannten Experten auch Vermutungen über die Dauerhaftigkeit von Klebstoffen angestellt. Unter Überschriften wie "Auch Leim wird altersschwach" haben sie die These verbreitet, Leimsysteme könnten "altersschwach" werden.
Diese Äußerungen sind falsch. Keiner der zugelassenen Klebstoffe
verliert alleine durch einen Alterungsprozess an Festigkeit. Alle
Klebstoffe mussten bereits in den siebziger Jahren umfangreiche
Untersuchungen auch zu ihrer Dauerhaftigkeit bestehen, bevor sie von
der im öffentlichen Auftrag tätigen Materialprüfungsanstalt (MPA)
Universität Stuttgart für den Einsatz freigegeben werden. Die
Dauerhaftigkeit der verschiedenen Klebstoffe wurde zudem im Rahmen
öffentlich finanzierter Forschungsarbeiten bereits in den 80er Jahren
an der MPA Universität Stuttgart und nochmals Ende der 90er Jahren am
norwegischen Institut für Holztechnologie in Oslo belegt.
Mit Befremden haben ausgewiesene Fachleute auch die Äußerungen zu
gebrochenen Keilzinkenverbindungen aufgenommen. Ein längs der Flanken
einer Keilzinkung verlaufender Bruch stellt bekanntermaßen alleine
noch keinen Beleg für eine fehlerhafte Verklebung dar. Ein solches
Bruchbild kann im Gegenteil auch Beleg für eine besonders hohe
Holzqualität der verbundenen Hölzer sein. Zudem kann vermutlich
derzeit niemand mit Sicherheit sagen, inwieweit gebrochene
Keilzinkverbindungen Ursache oder Folge des Trägerversagens waren.
Ob die Keilzinkenverbindungen oder der Klebstofftyp oder aber eine
noch gar nicht in Betracht gezogene Ursache Auslöser für die
Katastrophe gewesen ist, wird schlussendlich erst die
staatsanwaltliche Prüfung ergeben. Alle Spekulationen zu
wissenschaftlich nicht bekannten Alterungsprozessen oder zu
Fehlverklebungen sind verfrüht und dürften für die Aufklärung der
Geschehnisse wenig hilfreich sein.
Wir möchten abschließend auch darauf hingewiesen, dass es sich bei
den in Bad Reichenhall gebrochenen Trägern nicht um die seit
annähernd hundert Jahren bewährten Vollwandträger aus
Brettschichtholz handelt. In Bad Reichenhall wurden stattdessen
Kastenträger mit Stegen aus so genannten Kämpfstegplatten eingesetzt.
Diese werden in Deutschland seit vielen Jahren aus wirtschaftlichen
Gründen nicht mehr hergestellt.
Quelle: Pressemitteilung Studiengemeinschaft Holzleimbau e.V.