"Souveränität Deutschlands": Sicherheitsexperte zerlegt EU- und deutsche Haltung zu US-Gas-Sanktionen
Archivmeldung vom 24.12.2019
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Freigeschaltet durch André OttDie Bundesregierung will, wird und kann offenbar keine Gegensanktionen gegen die USA wegen Nord Stream 2 verhängen. Warum das so ist und wie die USA „aus den Fehlern lernten“, erzählte Sicherheitsexperte Dr. Siegfried Fischer in einem Sputnik-Gespräch. Zuvor beklagte der Linke-Politiker Oskar Lafontaine, dass Deutschland „nie souverän war“. Das schreibt das russische online Magazin "Sputnik".
Weiter ist auf der deutschen Webseite zu lesen : "Eigentlich lässt das am Freitag von US-Präsident Donald Trump unterschriebene Gesetz gegen die Gaspipelines Nord Stream 2 sowie die Turkish Stream (bereits fertiggestellt - Anm. d. Red.) einen Zeitraum von 30 Tagen zu.
Jedoch hatten seine beiden Lobbyisten, die Senatoren Ted Cruz und Ron
Johnson, den schweizerischen Betreiber der Verlegeschiffe, die Allseas
Group, schon zuvor in einem Drohbrief mit der kommerziellen und
finanziellen Vernichtung bedroht, sollten sie weiter bauen. „Unsere Bauschiffe haben am Samstagabend die Ostsee verlassen und werden derzeit in Mukran demobilisiert“, bestätigte seinerseits ein Sprecher der Allseas am Montag gegenüber Sputnik.
Die Fertigstellung der Pipeline ist damit vorerst blockiert worden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie Außenminister Heiko Maas haben sich
nicht einmal nachträglich zu Wort gemeldet. Lediglich mehrere Tage zuvor
kündigte Merkel keine Gegenmaßnahmen im Fall der Sanktionen an. Maas
seinerseits bezeichnete die „Einflussnahme auf autonome Entscheidungen“ als inakzeptabel.
Wenn es der Nord Stream 2 AG nicht gelinge, schnellstens adäquate
Ersatzschiffe zu bekommen oder vielleicht die beiden Allseas Schiffe zu
kaufen, werde viel Zeit ins Land gehen, warnt Dr. Siegfried Fischer,
Senior Fellow am Potsdamer Institut für Internationale Politik, in
einem Sputnik-Kommentar. Die Bundesregierung verurteile zwar den Eingriff in die inneren Angelegenheiten - ob nun „mit Merkelscher Klarheit oder Maasschem Weichspülersprech“
- werde und könne aber keine Gegensanktionen verhängen. Zum Einen gebe
es genügend deutsche Transatlantiker, die das Projekt von Anfang an
bekämpften und sich nun für diese Unterstützung bedanken würden. Sei es
aus Amerikahörigkeit, sei es aus Angst, dass die neuen amerikahörigen
Osteuropäer Deutschlands Position schwächen könnten. So sagte der
Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer (CDU), zuvor
gegenüber der dpa auf die Frage zu den ausfallenden Gegensanktionen
Berlins, es liege daran, dass die US-Strafmaßnahmen sich nicht gegen
Deutschland, sondern gegen privatwirtschaftliche Unternehmen richten
würden.
„Nichts als leere Luft“
„Zum Anderen kann die deutsche Regierung deutsche Unternehmen nicht in einer von der amerikanischen Wirtschafts- und Finanzkraft dominierten Weltwirtschaft schützen, weil sie seit Jahren zumeist saft- und kraftlos auf der internationalen politischen Bühne agiert und die wirtschaftliche Stärke des Landes nicht als Aktivposten einsetzt“, fährt Fischer fort.
Das Gleiche gilt aus Sicht des Experten noch viel mehr für die EU, die „wirtschaftlich kraftlos, innenpolitisch zerstritten und außenpolitisch ein Popanz ist“.
Hinter der sprachlichen Verurteilung der neuen Sanktion gegen eine
legale europäische Firma als Eingriff in die europäische Souveränität,
stehe nichts als leere Luft. Weder die Bundesrepublik Deutschland noch
die EU würden ausreichende reale Souveränität besitzen, um die von ihnen
definierten eigenen Interessen gegen US-amerikanische Übergriffe zu
schützen, meint Fischer. Eine ähnliche Position vertritt auch der
Fraktionsvorsitzende der Linken im Saarländischen Landtag, Oskar Lafontaine, in seiner Stellungnahme zu den US-Sanktionen unter dem Titel „Ami go home“.
Der Experte weist weiter darauf hin, dass Trump den sogenannten National Defense Authorization Act mit Sanktionen als Teil des Protecting Europe's Energy Security Act am gleichen Tag unterschrieb, als der Gastransport durch die Ukraine für die nächsten fünf Jahre durch deutsche und europäische Vermittlung vereinbart wurde. „Um nicht in die gleiche missliche Lage wie die Reagan-Administration 1981 mit ihren letztlich gescheiterten Sanktionen gegen die sowjetische Euro Siberian Pipeline zu kommen, hat die US-Administration diesmal aus Fehlern gelernt und die Sanktionen nicht gegen Staaten gerichtet, sondern gegen schutzlose Privatfirmen, insbesondere gegen die schweizerische Allseas, die die letzten fehlenden Kilometer der Pipeline Nord Stream 2 mit ihren beiden Spezialschiffen in 30 Tagen verlegen könnte.“ Außerdem gebe es in diesem Gesetz bewusst keinerlei regulatorische und technische Vorgaben, wie bei allen derartigen exterritorialen Sanktionen, verweist der Experte.
Der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, sagte
zuvor, dass das US-Gesetz kein antieuropäisches, sondern ein
proeuropäisches sei, weil sich viele Europäer an die US-Regierung mit
der Bitte um Hilfe gegen dieses deutsch-russische Projekt gewandt
hätten. „Folglich sind diese Sanktionen antirussisch und antideutsch“,
sagt Fischer. Die polnischen und baltischen Partner sowie die Ukraine,
„die wahren Verbündeten der USA in einem Europa, wo Frankreich und
Deutschland zu eigenständig werden könnten“, hätten die Sanktionen von
den USA also erbeten.
„Somit wollen die Vertreter der Fracking-Industrie Cruz und Johnson nicht nur „ihr“ Flüssiggas nach Europa verkaufen, sondern auch in Übereinstimmung mit allen anderen republikanischen und demokratischen Hegemonialapologeten Europa von einer irgendwie gearteten Partnerschaft mit Russland abhalten.“
„To keep Russia down“ ist laut dem Experten in den Augen dieser Strategen untrennbar verbunden mit „To keep Europe small enough to be leaded by America“. Nur so soll in und mit Europa kein neuer konkurrierender beziehungsweise eigenständiger Global Player erwachen. „Diese Anti-Nord Stream 2-Sanktion ist die perfekte Verbindung von US-amerikanischer Energiepolitik und Geopolitik und verdeutlicht den US-amerikanischen Hegemonialanspruch gegen Partner und potentielle wie reale Gegenspieler“, schloss der Experte.
Quelle: Sputnik (Deutschland)