Mervyn King, Ex-Chef der Bank of England: "Die Geldpolitik kann unsere gegenwärtigen Probleme nicht lösen"
Archivmeldung vom 17.05.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFür Mervyn King ist die aktuelle Geldpolitik zum Scheitern verurteilt. Der Ex-Chef der Bank of England sagte im Interview mit dem Wirtschaftsmagazin 'Capital' (Ausgabe 6/2016, EVT 19. Mai): "Wir müssen uns klarmachen, dass die Geldpolitik unsere gegenwärtigen Probleme nicht lösen kann - die Struktur der Ausgaben muss sich verändern." Deutschland und China müssten weniger exportieren und mehr im Inland verbrauchen, während in den USA und Großbritannien das Gegenteil nötig sei.
Die Idee, dass man nur den Zins weiter senken müsse, halte er für logisch falsch. "Das Problem ist, dass es keine Euro-Regierung gibt, die das tut, was nötig wäre, damit die EZB in einem Aufschwung wieder langsam die Zinsen erhöhen könnte", analysierte King. "Solange die nationalen Regierungen nicht handeln, wird es für die EZB sehr schwierig bleiben."
Kritik übte King auch an der Bankenregulierung. "Die Regulierung ist zu kompliziert und zu ehrgeizig geworden", bemängelte der Ex-Chef der Bank of England im 'Capital'-Interview. "Die Regulierer meinen, sie wüssten genug, um exakt vorzuschreiben, welches Risiko wie zu gewichten und mit Kapital abzusichern ist. Das wird scheitern, denn Krisen entstehen fast ex definitione immer, wenn völlig Unvorhergesehenes passiert."
Stattdessen seien Maßnahmen notwendig, die das System widerstandsfähig gegen unvorhersehbare Schocks machten. "Dazu gehört zum einen, dass die Banken genug Eigenkapital gemessen an ihrer Bilanzsumme haben." Zum anderen sollten die Banken dazu verpflichtet werden, der Zentralbank schon in normalen Zeiten regelmäßig so hohe Sicherheiten vorzulegen, dass gewährleistet sei, dass im Notfall alle Einlagen ausgezahlt werden könnten. "Für Bank-Runs gäbe es dann keinen Grund mehr."
Die Ursachen für die Finanzkrise liegen King zufolge in der falschen Interpretation von Wachstum, Beschäftigung und Inflation Anfang der 90er-Jahre begründet. "Wir haben diese Stabilität damals mit Nachhaltigkeit verwechselt - die Struktur der Ausgaben war nicht nachhaltig, nicht dauerhaft aufrechtzuerhalten." Trotz lauter Warnungen habe niemand einen Anreiz gesehen, allein für sich etwas zu korrigieren. "So haben alle nur gewartet, bis der Crash schließlich kam."
Quelle: Capital, G+J Wirtschaftsmedien (ots)