Russischer Wissenschaftler: Tschernobyl kann wieder passieren
Archivmeldung vom 24.04.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNach Ansicht des russischen Physikers Wladimir Kusnezow kann sich in russischen Kernkraftwerken ein Unfall wie der vor 20 Jahren in Tschernobyl wieder ereignen. "Das kann ganz leicht passieren", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel". Der letzte Unfall ereignete sich laut Kusnezow im Mai 2005 im Leningrader Atomkraftwerk.
"Erst nach zehn Tagen bestätigte der russische
Energiekonzern Rosenergoatom, dass es einen Unfall gab. Was in
Tschernobyl war oder heute ist, macht keinen Unterschied. Die Leute,
die heute in den russischen Atomenergiebehörden arbeiten, sind die
gleichen wie damals. Die Hauptursache für Tschernobyl liegt im Kopf,
im Denken der Menschen. Es wurden keine Lehren gezogen." Für die
Schließung der Reaktoren des Tschernobyl-TYps, die laut Kusnezow "von
keiner guten Qualität" sind, wolle in Russland niemand Geld ausgeben.
Eine Schließung koste 500 Millionen Dollar pro Reaktor. "In Russland
existieren heute 16 Reaktoren der ersten Generation. Sie sind 30 und
mehr Jahre alt und müssten abgeschaltet werden. Aber sie laufen
weiter, und der Staat nimmt dieses Risiko bewusst in Kauf", sagte
Kusnezow. Der Physiker arbeitete vor dem Unglück als Ingenieur im
Kernkraftwerk Tschernobyl, leitete von 1985 bis 1992 die russische
Atomaufsicht und ist heute Programmdirektor für nukleare Sicherheit
bei Green Cross Russland, einer von Michail Gorbatschow gegründeten
Organisation zur Bewältigung von Militär- und Industriekatastrophen.
Quelle: Pressemitteilung Der Tagesspiegel