Schwere Proteste gegen deutschen Schmuckhändler in Thailand
Archivmeldung vom 22.08.2019
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Freigeschaltet durch André OttWütende Arbeiter des thailändischen Schmuckherstellers PWK protestierten am Dienstag vor der Deutschen Botschaft in Bangkok und in der thailändischen Provinz Chanthaburi gegen den deutschen Schmuckhandelskonzern elumeo SE in Berlin.
Nach einem Bericht der Wirtschaftszeitung "Handelsblatt" fühlen sich die über 600 Arbeiterinnen und Arbeiter von der Geschäftsführung von elumeo "hintergangen", weil diese die Fabrik bewusst in die Zahlungsunfähigkeit haben laufen lassen habe, anstatt den thailändischen Arbeitern die gesetzlich zustehende Abfindungszahlung zu überweisen.
Dieser Vorgang hat nicht nur Proteste vor der deutschen Botschaft in Bangkok ausgelöst, sondern beschäftigt nun auch Ermittlungsbehörden und Staatsanwälte in Thailand und Deutschland (Berlin), die das Management um den Verwaltungsratsvorsitzenden Wolfgang Boyé wegen Betrugs und anderer möglichen Straftaten in den Fokus nehmen. Die thailändische Politik hat sich eingeschaltet. Der deutsche Botschafter, der die protestierenden Arbeiter in der Botschaft angehört hatte, berichtet darüber nach Berlin.
Das Handelsblatt, das mit einem Korrespondenten in Bangkok vor Ort war und mit Arbeiterinnen und Arbeiter des Schmuckherstellers PWK sprach, beschrieb die für die ehemalige PWK-Belegschaft haarsträubende Folgen des gezielten Firmenzusammenbruchs: Familien sind in schwere finanzielle Krisen geraten, haben kaum noch Geld zum Überleben. Einige verloren ihre Häuser, können Kredite und Hypotheken nicht mehr bedienen oder sehen sich aggressiven Kreditgebern gegenüber, die sie nicht mehr bezahlen können. Arbeiter berichteten dem Handelsblatt von einer schwer erkrankten, gerade 39 Jahre alten Ex-Arbeiterin der PWK, die sich keine adäquate Behandlung in einem Krankenhaus leisten konnte und starb. Für die Bestattung der Mutter eines kleinen Kindes sammelten ihre Kollegen Geld.
Wolfgang Boyé, Verwaltungsratsvorsitzender von elumeo SE behauptete, dass ihm das Schicksal der früheren PWK-Mitarbeiter "sehr am Herzen liege". Im gleichen Atemzug allerdings beschwerte er sich im Handelsblatt über die "emotionale Protestaktion" der Ex-Mitarbeiter. Er fühle sich davon "unzulässig unter Druck gesetzt."
Wie bereits mehrfach in den Medien berichtet, hatte des Schmuckhandelsunternehmen elumoe SE, das Juwelen und Schmuck über den TV- und Internetkanal "Juwelo" vertreibt, eine Schmuckfabrik in Thailand aufgebaut. Die Kapazitäten der Fabrik waren ursprünglich auf 2 Mio Schmuckstücke pro Jahr ausgelegt. Allerdings blieb der Vertrieb des Schmucks über TV und Internet weit hinter den Erwartungen zurück. Das Management unter dem ehemaligen Scholz&Friends-Werber Wolfgang Boyé steuerte das Unternehmen "elumeo SE" mit seiner Vertriebstochter "Juwelo GmbH" in eine wirtschaftliche Krisensituation. Unter Boyé brachen die Umsätze ein, die Aktie fiel in den Penny-Stock Bereich. Doch anstatt Arbeiter in Thailand ordentlich zu kündigen und ihnen die gesetzliche Abfindung zu bezahlen, baute Wolfgang Boyé auf einen anderen Plan.
Trotz der mangelnden Resonanz im Markt bestellte die Truppe um Wolfgang Boyé weiterhin eifrig Schmuck bei PWK in Thailand. Insgesamt wurde Ware im Wert von 35 Millionen EUR von Thailand nach Deutschland verschifft. Doch bezahlt wurde nur ein geringer Bruchteil der Ware. Die Folge: Der Schmuckhersteller PWK konnte die Gehälter nicht mehr bezahlen und wurde zahlungsunfähig.
Damit hatte die Führung von elumeo SE, die von den Aktionären und Finanzmanagern der FPM (Frankfurt Performance Management), Martin Wirth und Raik Hoffmann gestützt wird, ihr Ziel erreicht: Sie mussten den so arbeitslos gewordenen Arbeiterinnen und Arbeitern keine gesetzliche Abfindung bezahlen, mit den für sie verheerenden Folgen.
Der börsennotierte Berliner Konzern redet sich damit heraus, dass die thailändische Währung im Vergleich zum Euro stark angestiegen sei. Die Produkte aus Thailand seien deshalb teurer geworden, die Produktpalette zu schmal gewesen.
Teerasak Jamrakittiwan, früherer Geschäftspartner von Boyé, der über seine Gesellschaft Ottoman Strategy Holdings OSH für die insolvente PWK die elumeo SE auf 10,1 Millionen Euro Schadensersatz verklagt: "Das sind peinliche Schutzbehauptungen des gescheiterten Managers Wolfgang Boyé. Über die Unfähigkeit der von ihm angeführten Managertruppe von elumeo SE und juwelo GmbH, ausreichend Schmuck über TV und Internet zu verkaufen, verliert er hingegen kein Wort."
Stattdessen verbreite Boyé die Unwahrheit, das lokale Management von PWK in Thailand habe noch ausreichend Mittel zur Verfügung gehabt, um die Abfindungen zu bezahlen. Er sprach von 4,5 Millionen Euro Umlaufvermögen und 1,1 Mio Euro beim thailändischen Finanzamt. Teerasak Jamrakittiwan dazu: "Was Boyé allerdings nicht mitteilt, ist die Tatsache, dass ein von ihm eingesetzter Manager der PWK-Geschäftsführung ausdrücklich befahl, in keinem Fall irgendwelche Assets aus dem Besitz der elumeo- Tochterfirma PWK zu verkaufen. Auch das angebliche Guthaben von 1,1 Millionen Euro beim Finanzamt in Thailand wird nie von der Regierung an die PWK ausbezahlt. Das Geld ist Teil eines Veranlagungsverfahrens der thailändischen Behörden, auf demeine siebenjährigen Steuerbefreiung basiert. Die Steuerbefreiung ist an bestimmte Punkte gebunden, die mit der aufkommenden Insolvenz nun ihre Gültigkeit verloren hat. Also, noch einmal, das ist nur etwas Utopisches."
Bei der Hauptversammlung der elumeo SE am 7.8.2019 musste Verwaltungsratsvorsitzender Wolfgang Boyé den Aktionären gegenüber Auskunft über die aktuellen staatsanwltschaftlichen Ermittlungsverfahren und Zivilklagen geben, die aktuell gegen ihn, gegen seine Managerkollegen Bernd Fischer und Thomas Jarmuske sowie gegen die elumeo SE laufen: "Nach all dem, was in und am Rande der Hauptversammlung zu hören war, bauen diese Herren ganz offensichtlich auf die Langsamkeit der deutschen Justiz. Sie hoffen dadurch ihrer gerechten Strafe zu entgehen und nicht für den Schaden aufkommen zu müssen, den sie angerichtet haben", sagte Teerasak Jamrakittiwan.
Auch eine ganz essentielle Frage wollte Wolfgang Boyé laut Teerasak Jamrakittiwan nicht direkt beantworten: "Wo ist der Schmuck im Wert von 35 Millionen Euro geblieben? Warum wurde der nicht verkaufte Teil des Schmuckes, wie mehrfach von den Thailändern gefordert, nicht wieder nach Thailand zurückgeschickt, um dort die Gehälter und Abfindungen zu bezahlen?"
Eine Antwort auf die Frage liefert womöglich ein Event im teuren Schlosshotel Grunewald in Berlin: Vergangenen Sonntag präsentierte elumeo SE über die Vertriebstochter "juwelo" (Slogan "Luxus für jeden bezahlbar machen") dort zwischen Champagner, Häppchen, Luxuswagen und Models ausgesuchten Schmuck.
Quelle: Roderich Schätze (ots)