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ROG: Pressefreiheit in Chile auch 40 Jahre nach dem Pinochet-Putsch in Bedrängnis

Archivmeldung vom 10.09.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.09.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Reporter ohne Grenzen e.V.
Reporter ohne Grenzen e.V.

Zum 40. Jahrestag des Putschs von General Augusto Pinochet in Chile an diesem Mittwoch (11. September) erinnert Reporter ohne Grenzen an die bis heute nachwirkenden Folgen der Militärdiktatur. Noch immer sind die wichtigsten Medien des lateinamerikanischen Landes in wenigen Händen konzentriert. Aus der Pinochet-Ära weitergeltende Gesetze behindern die Arbeit von Journalisten sowie von Bürgerradios und anderen unabhängigen Medien.

"Wer in Chile als Journalist über Menschenrechtsverstöße oder die Verbrechen der Pinochet-Diktatur berichtet, muss noch heute mit Schikanen und Drohungen rechnen", kritisierte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. Dass sich vor wenigen Tagen die Richtervereinigung für ihr Versagen während der Diktatur entschuldigte, sei ein positives Zeichen. "Es ist höchste Zeit für Gesetzesreformen, um die Folgen der Pinochet-Ära auch für den Journalismus zu überwinden und endlich mehr Meinungsvielfalt in den Medien zu ermöglichen."

Ein noch aus der Zeit der Diktatur von 1973 bis 1990 stammendes Subventionssystem zementiert zulasten unabhängiger Medien die dominierende Stellung der beiden großen privaten Mediengruppen El Mercurio und Copesa, denen insgesamt rund 95 Prozent aller Printmedien gehören. (http://bit.ly/11tmQyH) In ähnlicher Weise sind auch auf dem Radiomarkt die Folgen einer unregulierten Privatisierung sichtbar: Fast 60 Prozent aller Sender gehören der privaten spanischen Mediengruppe Prisa. Ein 2010 verabschiedetes Gesetz sollte eigentlich eine Neuverteilung der Frequenzen zugunsten von Bürgerradios und anderen unabhängigen Sendern ermöglichen, konnte aber bislang aufgrund des Widerstands der Prisa-Gruppe nicht umgesetzt werden.

Viele der unabhängigen Radiosender bemühen sich - zum Teil seit mehr als zehn Jahren - um eine Frequenzzuteilung. Zugleich stellt ein Gesetz von 1982 das Senden ohne offizielle Frequenz unter Strafe. Aufgrund dieser Regelung wurde im August 2012 die Ausrüstung des Senders Radio Vecina in der Region Araucanía beschlagnahmt. Auch anderen Radiosendern wie Kimche Mapu in derselben Region, Radio Lógica in der Region Santiago und Radio Galáctika aus der Gegend von Valparaíso wurde die Anwendung dieses Gesetzes angedroht, das im Extremfall Haft- und Geldstrafen für das Senden ohne Lizenz vorsieht. (http://bit.ly/QDqXSe)

Unter den rund 3200 in der Pinochet-Ära ermordeten Oppositionellen waren auch mindestens 68 Medienschaffende - 21 Journalisten, 20 Fotografen, Kameraleute und Techniker sowie 27 Arbeiter von Zeitungs- und Zeitschriftendruckereien. Die meisten von ihnen wurden in den Wochen unmittelbar nach dem Putsch vom 11. September 1973 getötet - und die Täter aufgrund eines Amnestiegesetzes von 1978 niemals verfolgt. Doch auch noch in den 1980er Jahren starben bei der Niederschlagung von Protesten mehrere Journalisten. (http://bit.ly/19DeysX)

Bis heute geht die Polizei immer wieder brachial gegen Reporter vor, die über Demonstrationen berichten. So gab es bei den Studentenprotesten von 2011 zahlreiche gewaltsame Übergriffe und Festnahmen. In einigen Fällen wurden Fotos und Videoaufnahmen der Reporter gelöscht und ihre Berichterstattung damit faktisch zensiert. Auch bei Protesten in der Region Aysén im Frühjahr 2012 kam es zu Polizeigewalt und willkürlichen Festnahmen von Reportern. Die Ausstrahlung des Regionalsenders Radio Santa Maria wurde stark behindert. (http://bit.ly/zgRncw) Wiederholt wurden in Aysén sowie in der Region Araucanía in- und ausländische Journalisten, die über Protestbewegungen berichteten, mit Hilfe eines Antiterrorgesetzes von 1984 verfolgt. (http://bit.ly/17mX5ok)

Besonders heikel ist die Berichterstattung über Tabuthemen wie die Landrechtskonflikte der indigenen Mapuche-Bevölkerung mit der Zentralregierung. Auch Journalisten, die über die Zeit der Diktatur recherchieren, sind verschiedentlich Drangsalierung, Überfällen und Drohungen ausgesetzt gewesen - darunter der dpa- und ROG-Korrespondent Mauricio Weibel. (http://bit.ly/VJCQZg)

2010 hat Chile als erstes Land der Welt das Prinzip der Netzneutralität in ein Gesetz gegossen und garantiert damit, dass Informationen im Internet ohne Rücksicht auf Absender, Empfänger oder Inhalt gleichberechtigt behandelt werden müssen. Allerdings hatte 2011 erst weniger als die Hälfte aller chilenischen Haushalte Internetzugang, so dass die positiven Regelungen in diesem Bereich alleine nicht ausreichen, um die Konzentration bei anderen Medien auszugleichen.

Auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit steht Chile auf Platz 60 von 179 Ländern. Aktuelle Meldungen zur Lage der Journalisten und Medien im Land finden Sie unter http://en.rsf.org/chile.html.

Quelle: Reporter ohne Grenzen e.V. (ots)

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