Vorstandsmitglied der Deutsch-türkischen Juristenvereinigung verteidigt Verhalten der türkischen Justiz im Fall Marco W.
Archivmeldung vom 22.11.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm Fall des deutschen Schülers Marco W. hat Christian Rumpf, Anwalt und Vorstands-Mitglied der Deutsch-türkischen Juristenvereinigung, das Vorgehen des türkischen Gerichts in Antalya verteidigt. "Ich erkenne derzeit noch keine offensichtlichen Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien", sagte Rumpf zu stern.de, dem Online-Magazin der Hamburger Zeitschrift stern.
Auch offensichtliche
Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention könne er zum
gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkennen, sagte Rumpf.
Selbst eine siebenmonatige Untersuchungshaft wie im Fall Marco W.
wäre auch in Deutschland vorstellbar, so Rumpf. "Stellen wir uns den
nur zu Besuch nach Deutschland eingereisten Türken vor einem
deutschen Gericht bei gleicher Anklage vor, kann man keineswegs
ausschließen, dass er hier ebenso lange in Untersuchungshaft gesessen
hätte", sagte Rumpf.
Er rechne jedoch damit, dass das Gericht in Antalya Marco W. nach
der nächsten Verhandlung freilassen werde. "Ein anderer Richter hätte
Marco vielleicht schon am 20. November oder sogar früher
freigelassen", sagte er. "Aber hier müssen wir ganz einfach die
schwierige Verfahrenssituation berücksichtigen und den offenkundigen
Wunsch des Gerichts, den Fall doch noch irgendwie ordentlich,
plausibel und überzeugend zu klären. Ich denke aber, dass der Punkt,
an dem die Abwägung zugunsten einer Freilassung ausfallen sollte, vor
Weihnachten erreicht ist. Am 14. Dezember. sollte Marco auf freien
Fuß kommen, so Rumpf zu stern.de. Wenn nicht, könnte das Gericht in
Begründungsnot geraten." Sollte Marco zu einer Haftstrafe "in
nachvollziehbarer Höhe" verurteilt werden, sollte der deutsche
Schüler die Strafe akzeptieren, sagte Rumpf. Denn es gebe zwischen
der Türkei und Deutschland ein Abkommen, das es ermögliche, Marco zur
Verbüßung der Strafe nach Hause zu schicken.
Der Stuttgarter Rechtsanwalt warnte davor, den Falls Marco zum
Anlass zu nehmen, die EU-Tauglichkeit der Türkei anzuzweifeln. "Das
ist völliger Quatsch und es ist ärgerlich, wenn sich deutsche
Politiker hier vor die Kamera stellen und einen Zusammenhang zwischen
diesem Verfahren und der EU-Tauglichkeit der Türkei herstellen
wollen. Das ist in meinen Augen der Versuch, auf billige Weise und
letztlich zu Lasten eines siebzehnjährigen Schülers vordergründigen
politischen Profit einzufahren", sagte Rumpf zu stern.de.
Deutsche Politiker wie der bayerische Europaminister Markus Söder (CSU) hatten der Türkei wegen ihres Umgangs mit dem Missbrauchsfall die EU-Tauglichkeit abgesprochen. Auch auf der EU-Ebene wächst der Druck auf die Türkei. Die Fraktionen des Europäischen Parlaments forderten nach Medienangaben EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn bereits vor Tagen auf, sich bei der Regierung in Ankara für ein rechtsstaatliches Verfahren im Fall des 17-jährigen Deutschen einzusetzen. Marco W. wird vorgeworfen, im Osterurlaub in der Türkei die 13-jährige Britin Charlotte M. sexuell missbraucht zu haben. Er sitzt seit mehr als sieben Monaten in türkischer Untersuchungshaft. Der bereits sieben Mal vertagte Prozess soll am 14. Dezember in Antalya fortgesetzt werden.
Quelle: Pressemitteilung stern