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Ärzte ohne Grenzen: Staaten müssen dringend Katastrophenschutz-Spezialisten zur Ebola-Bekämpfung nach Westafrika entsenden

Archivmeldung vom 02.09.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.09.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Kranken­schwester mit persönlicher Schutz­ausrüstung vor Betreten einer Isolier­station; Ebolafieber-Epidemie 1995 in DR Kongo (ehemals Zaire)
Kranken­schwester mit persönlicher Schutz­ausrüstung vor Betreten einer Isolier­station; Ebolafieber-Epidemie 1995 in DR Kongo (ehemals Zaire)

Lizenz: Public domain
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen fordert Staaten mit Katastrophenschutzkapazitäten dringend dazu auf, Personal und Material zur Ebola-Bekämpfung nach Westafrika zu entsenden. "Die Weltgemeinschaft versagt bei ihrer Reaktion auf die bisher schlimmste Ebola-Epidemie", sagte die internationale Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen, Joanne Liu, bei einer Anhörung bei den Vereinten Nationen in New York. Die weitere Ausbreitung des Virus könne nur durch eine umfangreiche Entsendung von spezialisierten medizinischen Einheiten aufgehalten werden.

"Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, und Ebola scheint zu gewinnen", erklärte Liu am Rande der Anhörung. "Die Zeit für Treffen und Planungen ist vorbei. Es ist jetzt Zeit zu handeln. Jeder Tag, an dem nichts unternommen wird, bedeutet weitere Tote und den langsamen Zusammenbruch der Gesellschaften in den betroffenen Ländern."

Bis jetzt werde die Verantwortung im Umgang mit diesem außergewöhnlich großen Ebola-Ausbruch überforderten Gesundheitsbehörden und privaten Hilfsorganisationen überlassen, sagte Liu. Obwohl Ärzte ohne Grenzen mehrmals einen umfangreichen Einsatz vor Ort gefordert habe, sei die Reaktion von internationaler Seite unzureichend geblieben - mit tödlichen Folgen. Nichtregierungsorganisationen und die Vereinten Nationen könnten nicht alleine den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erarbeiteten Maßnahmenplan zur Bekämpfung der Epidemie umsetzen.

"Sechs Monate dauert die bisher schlimmste Ebola-Epidemie nun an, und der Welt gelingt es nicht, sie einzudämmen", sagte Liu. "Die Regierungen versagen angesichts dieser grenzüberschreitenden Bedrohung. Die Erklärung der WHO vom 8. August, wonach die Epidemie eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite darstelle, hatte keine entschiedenen Maßnahmen zur Folge. Stattdessen haben sich die Staaten zu einer internationalen Koalition der Untätigkeit zusammengetan."

"Finanzielle Zusicherungen und das Entsenden einiger Experten reichen nicht aus", sagte Liu. "Staaten, die über die benötigten Kapazitäten verfügen, haben eine politische und humanitäre Verpflichtung, angesichts dieser Katastrophe konkrete Hilfeleistungen anzubieten. Anstatt sich nur darauf zu beschränken, sich auf eine mögliche Ankunft eines Ebola-Infizierten in ihrem Land vorzubereiten, sollten sie die Gelegenheit ergreifen, um dort Leben zu retten, wo dies jetzt nötig ist: in Westafrika."

Viele Staaten verfügen über einen Katastrophenschutzapparat gegen biologische Gefährdung. Es ist ihnen möglich, innerhalb weniger Tage ausgebildetes medizinisches Personal vor Ort zu entsenden, das über den notwendigen Organisationsgrad verfügt, um hohe Sicherheitsstandards und Effizienz zu garantieren. Das betrifft sowohl zivile wie - in diesem Ausnahmefall - auch militärische Teams. Letztere dürfen aber nur für medizinische Zwecke eingesetzt werden. Ärzte ohne Grenzen betont, dass in die betroffenen Gebiete entsandtes militärisches Personal nicht dafür eingesetzt werden darf, um Quarantänemaßnahmen gewaltsam durchzusetzen. Durch Zwang verordnete Quarantäne hat bisher nur Angst und Unruhe geschürt, anstatt das Virus aufzuhalten.

Kurzfristig werden zusätzliche Isolierzentren, mehr ausgebildetes Personal, mobile Labors für eine bessere Diagnostik benötigt, sowie Flugzeuge, damit Personal und Material befördert werden können.

Die Kliniken von Ärzte ohne Grenzen in Liberia und Sierra Leone sind mit Patienten, bei denen Verdacht auf Ebola besteht, überfüllt. Die Menschen erkranken aber nach wie vor an Ebola und sterben in ihren Dörfern und Gemeinden. In Sierra Leone liegen hoch infektiöse Leichen auf den Straßen und verwesen dort.

In der liberianischen Hauptstadt Monrovia werden dringend neue Ebola-Behandlungszentren mit Isolierstationen und qualifiziertem Personal benötigt. Der Andrang wartender Patienten vor dem immer größer werdenden Behandlungszentrum "ELWA 3" mit derzeit 160 Betten wird immer größer. Schätzungen gehen davon aus, dass 800 zusätzliche Betten allein in Monrovia benötigt werden. Das Team von Ärzte ohne Grenzen ist bereits überlastet.

"Jeden Tag müssen wir kranke Menschen nach Hause schicken, weil wir überfüllt sind", erklärt Stefan Liljegren, Einsatzkoordinator von Ärzte ohne Grenzen im Behandlungszentrum "ELWA 3". "Ich musste die Fahrer der Krankenwagen bitten, mich anzurufen, bevor sie mit Patienten zu uns kommen - unabhängig davon, in welchem Zustand sich diese befinden -, da wir oft nicht in der Lage sind, sie aufzunehmen."

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen können mehr Leben retten, wenn Infizierte so früh wie möglich kommen. Mehr Kapazitäten bei den Isolierstationen würden auch die Gesundheitssysteme der betroffenen Länder erleichtern, von denen einige am Rande des Zusammenbruchs stehen. Mindestens 150 Mitarbeiter aus dem Gesundheitssektor sind an Ebola gestorben, andere haben zu große Angst vor Ansteckung und gehen nicht mehr zur Arbeit.

Ärzte ohne Grenzen begann seinen Ebola-Einsatz in Westafrika im März 2014 und ist nun in Guinea, Liberia, Sierra Leone und Nigeria und tätig. Die Organisation betreibt fünf Ebola-Behandlungszentren mit einer Kapazität von insgesamt 480 Betten. Seit März hat Ärzte ohne Grenzen 2.077 Patienten aufgenommen, von denen 1.038 positiv auf Ebola getestet wurden. 241 wurden gesund. Ärzte ohne Grenzen hat 156 internationale Mitarbeiter und 1.700 nationale Mitarbeiter in der Region.

Quelle: Ärzte ohne Grenzen (ots)

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