Gabriel zum Nahost-Konflikt: Europa muss ins politische Risiko gehen
Archivmeldung vom 06.01.2020
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Freigeschaltet durch André OttEx-Außenminister Sigmar Gabriel fordert von Europa ein starkes Auftreten im eskalierenden Nahost-Konflikt zwischen dem Iran und den USA.
"Wenn Europa bei der jetzt drohenden Kriegsgefahr eingreifen will, dann muss es ins politische Risiko gehen. Und das heißt: notfalls auch einen größeren politischen Konflikt mit dem jetzigen Präsidenten der USA in Kauf nehmen, wenn dadurch eine Eskalation des Krieges verhindert werden kann", schreibt der SPD-Politiker, der auch Vorsitzender der Atlantik-Brücke ist, in einem Gastbeitrag für den "Tagesspiegel".
Kritik am Kurs der Bundesregierung in Iran-Krise
Nach dem tödlichen US-Drohnenangriff auf den iranischen Top-Militär Qasem Soleimani im Irak übt die FDP-Bundestagsfraktion scharfe Kritik an der deutschen Krisenpolitik und den damit verbundenen Äußerungen von Außenminister Heiko Maas (SPD).
FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff
sagte der "Welt": "Für Deutschland ist im Nahen Osten klar: Aggression
und Terrorismus gehen vom Iran aus. Soleimani war ein Terrorist in
Uniform, der immer wieder Angriffe auf die USA und Israel organisiert
hat - und beide Länder sind unsere Verbündeten."
Die unklare Haltung des Außenministers dazu sei ein Fehler, sagte der
Fraktionsvize. "Äquidistantes Wischiwaschi á la Heiko Maas macht uns
unglaubwürdig, als Vermittler wirkungslos und im schlechtesten Fall gar
zum Spielball anderer Mächte", so Lambsdorff.
Gute Diplomatie habe immer einen Standpunkt.
Vom Koalitionspartner Union gibt es hingegen Rückendeckung für die
Kritik von Maas an der US-Regierung. Zwar sei für die Situation im Irak
allein der Iran verantwortlich, und es sei legitim, dass die USA einen
Weg suchten, um den Iran zurückzudrängen, sagte der außenpolitische
Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt (CDU). Aber: "Ich bin der
Meinung, dass der Drohnenangriff falsch war, und das darf ein deutscher
Außenminister auch sagen, insbesondere vor dem Hintergrund einer
fehlenden gemeinsamen Strategie mit den USA. Bisher können uns die
Amerikaner nicht erklären, welchen Zweck der Angriff verfolgt außer der
Vergeltung."
Eine Strategie, die auf maximalen Druck setze, könne nicht gelingen. "Russland und China werden nicht zulassen, dass der Iran politisch kapituliert. Deswegen wird Trumps Taktik nicht funktionieren", so Hardt weiter. Es sei nachvollziehbar, dass die Amerikaner nun ein klares Bekenntnis erwarteten. "Doch das setzt auch die Abstimmung der Strategie mit den Europäern voraus." Auch der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Omid Nouripour, übte scharfe Kritik am Vorgehen der USA. "Wenn sich unsere amerikanischen Freunde ohne Plan und jede Rücksprache in ein Abenteuer stürzen, das auch noch die Sicherheitslage unserer Soldaten vor Ort tangiert, dann sollten sie nicht auch noch lauten Beifall erwarten", sagte Nouripour der "Welt". Europäische Krisendiplomatie sei nun überfällig, um eine militärische Eskalation am Golf zu verhindern. Es drohe sonst eine Kaskade von Überreaktionen weit über den Iran hinaus: "Gut, wenn Heiko Maas endlich aktiv wird."
Nouripour kritisierte, dass die Bundesregierung noch nicht einmal eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats beantragt habe: "Da stellt sich die Frage, wofür sie Deutschlands Mitgliedschaft im wichtigsten Gremium der UN gewollt hat." Linke-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali mahnte zur konsequenten Anwendung des Völkerrechts. "Obwohl die Regierung des Iran für viele schlimme Verbrechen verantwortlich ist, sind der völkerrechtswidrige Angriff der USA und die weiteren Drohungen aufs Schärfste zu verurteilen", sagte Mohamed Ali. Die Bundesregierung müsse sich entschlossen dafür einsetzen, dass es keine weitere Eskalation gebe, denn es drohe Millionen Menschen unermessliches Leid. "Ich erwarte von Herrn Maas, dass er in den Gesprächen auf diplomatischer Ebene, die er jetzt richtigerweise führen möchte, eine klare Haltung zeigt und sich zum geltenden Völkerrecht bekennt. Eine blinde Gefolgschaft gegenüber Donald Trump, der völlig unberechenbar Brandsätze in ein Pulverfass wirft, lehnt die Linke ab."
Quelle: Der Tagesspiegel (ots) / dts Nachrichtenagentur