Österreichische Nationalbank sieht Inflation noch "nicht besiegt"
Archivmeldung vom 08.10.2024
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićDer Chef der Österreichischen Nationalbank (OeNB) und EZB-Ratsmitglied, Robert Holzmann, warnt trotz sinkender Inflation vor voreiligen weiteren Leitzinssenkungen der EZB.
"Die Inflation ist auf dem richtigen Weg. Aber sie ist nicht besiegt",
sagte Holzmann der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstagausgabe). "Die letzte
Zinssenkung hielt ich für richtig, aber das ist kein Grund zu der
Annahme, es würden nun automatisch weitere Zinssenkungen folgen."
Holzmann
gilt als eigenwilliger Kopf im EZB-Rat. Die erste Leitzinssenkung der
EZB im Juni lehnte er als einziger Notenbanker mit Gegenstimme ab, im
September gab er erst zur zweiten Zinssenkung seine Zustimmung. Auch
sein Vorschlag, die Mindestreservepflicht für Banken radikal zu erhöhen,
sorgte für Unruhe im obersten EZB-Gremium.
"Ich möchte zum
Denken anregen. Es muss auch im EZB-Rat Pluralität geben. Die Banken
machten mit ihren Reserven plötzlich riesige Gewinne, als Konsequenz
unserer Geldpolitik. Ich sehe bis heute keinen Grund dafür, den Banken
solche Subventionen zukommen zu lassen. Eine Erhöhung der Mindestreserve
- das ist der Betrag, den Geldhäuser verpflichtend auf ihrem Girokonto
bei der Notenbank halten müssen und der nicht verzinst wird - würde auch
der EZB nutzen", sagte Holzmann.
Die EZB, die Bundesbank und
andere Notenbanken machen Verluste, weil die im Zuge der Geldpolitik
gekauften Staatsanleihen fast keine Rendite abwerfen. "Gleichzeitig
müssen wir den Banken 3,5 Prozent Einlagenzins bezahlen. Das bringt ein
großes Minus. Es wird Jahrzehnte dauern, bis der Steuerzahler wieder
Gewinne von der Notenbank erhält", sagte Holzmann.
Holzmann wirbt
für die Einführung des digitalen Euro. "Die Nutzung des Bargelds geht
zurück, elektronisches Geld wird immer wichtiger. Dieses Feld dürfen wir
weder den privaten Geldanbietern noch anderen Staaten überlassen",
sagte Holzmann. "Stellen Sie sich vor, Sie können die chinesische
Währung in elektronischer Form auch in Europa nutzen, es gibt einen
guten Wechselkurs, es ist günstig und bequem. Dann erlebt Europa eine
"Yuanisierung" und ist nicht mehr Herr der Geldmengenentwicklung. Das
müssen wir verhindern", sagte der Ökonom, der lange für die Weltbank
gearbeitet hat.
Auch die Abhängigkeit von den USA im
Zahlungsverkehr sei nicht klug. "Wir müssen unser eigenes Zahlungssystem
aufbauen. Es gab Versuche, aber die europäischen Geschäftsbanken haben
es nicht geschafft, Paypal und den US-Kreditkartenfirmen Mastercard und
Visa Paroli zu bieten - 80 bis 90 Prozent aller Überweisungen in Europa
laufen über diese beiden Firmen. Deshalb muss Europa jetzt aktiver
werden", sagte Holzmann.
Quelle: dts Nachrichtenagentur